Erlangen

Akten geschlossen

Geflaggt: der Erlanger Schlossplatz »geschmückt« zum 1. Mai 1936 Foto: Verlag

In mehr als vier Jahren gelang es den Behörden nicht, die Ereignisse des Novemberpogroms von 1938 in Erlangen zu rekonstruieren. Dieses traurige Fazit zieht Andreas Jakob in seinem Band In der Nacht, in der die Judenaktion stattfand. Der Pogrom vom 9./10. November in Erlangen und seine juristische Aufarbeitung nach 1945.

Jakob hat Prozessakten über die Gewaltaten vor 73 Jahren ausgewertet und verfolgt damit einmal einen anderen Weg der Aufarbeitung der NS-Geschichte von Erlangen: Statt der Opferperspektive wählt Jakob den Blick auf die Täter und fragt: Wurden sie zur Rechenschaft gezogen?

Ereignisse Wie in vielen deutschen Städten wüteten auch in Erlangen die SA und durch die Propaganda aufgewiegelte Bürger gegen jüdische Geschäfte und ihre Inhaber. Nachbarn bereicherten sich, stahlen Schmuck und Silber und prahlten sogar mit ihren Taten. Auch wenn in Erlangen kein Mensch zu Tode kam, wie überall waren Juden auch hier Hohn, Spott, Demütigungen und physischen Schlägen ausgesetzt.

Von den Tätern – sofern sie überhaupt verfolgt wurden – saß keiner auch nur für einen Tag in Haft, konstatiert Jakob. Zwölf Beschuldigte aus der Garnisonstadt mussten sich 1950 vor Gericht verantworten. »Die Täter wurden lediglich wegen Landfriedensbruch und Hausfriedensbruch angeklagt, die denkbar mildesten Straftatbestände für die Barbarei jener Nacht«, stellt Josef Schuster, Präsident des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern in seinem Geleitwort ernüchtert fest.

Zeugenaussagen Jakob geht die Gerichtsakten und Aussagen durch, ermittelt Namen und erhält aufgrund der Zeugenaussagen ein erstaunlich genaues Bild von den Ereignissen dieser Nacht, detaillierter als die Ermittlungsbehörden damals. Die vielen Zitate und Zeugenaussagen veranschaulichen frappierend, wie Wegschauen, Verdrängen, Leugnen und Entschuldigen auch für viele Erlanger Bürger zum Wesenszug werden. »Denn die Zivilbevölkerung beteiligte sich in großem Maße an den Plünderungen der Wohnungen«, schreibt Jakob, »was dann auch allgemeines Gesprächsthema war.«

Bei der Vernehmung wandeln sich Täter in mitfühlende Zuschauer, wie das Beispiel Margarete Vornehm zeigt. Sie hatte sich offensichtlich der Plünderung in einem jüdischen Geschäft und der Hehlerei schuldig gemacht. Der Polizei erzählt sie, sie habe sich abwenden und weinen müssen, als sie in der Küche der jüdischen Familie noch die Tassen auf dem Tisch stehen sah.

Strafmaß »Physische Gewalttätigkeit Einzelner, nicht aber staatlicher Terror und psychische Gewalt wurden beurteilt«, resümiert Jakob. Das Buch zeichnet ein eindrucksvolles Negativbild deutscher Nachkriegsjustizgeschichte. Der Band wird keinen Schlusspunkt bilden, wie Bürgermeister Siegfried Balleis zu Jakobs Buch anmerkt. Es muss also weiter geforscht werden. Aber ein Anfang ist mit Jakobs Buch gemacht.

Andreas Jakob (Hrsg.): »In der Nacht, in der die Judenaktion stattfand«. Der Pogrom vom 9./10. November 1938 in Erlangen und seine juristische Aufarbeitung nach 1945, Stadt Erlangen, 2011, 240 S., 29,90 €

Berlin

Zwölf Rabbiner blasen das Schofar

Die Jüdische Gemeinde Chabad Berlin lud zum Neujahrsempfang. Zu Gast war auch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner

von Detlef David Kauschke  18.09.2025

Meinung

Die Tränen des Kanzlers

Bei seiner Rede in München gab Friedrich Merz ein hochemotionales Bekenntnis zur Sicherheit jüdischen Lebens ab. Doch zum »Nie wieder dürfen Juden Opfer werden!« gehört auch, den jüdischen Staat nicht im Stich zu lassen

von Philipp Peyman Engel  18.09.2025 Aktualisiert

Berlin

Zentralrat der Juden begeht sein 75. Jubiläum

Die Dachorganisation der jüdischen Gemeinden lud zahlreiche Gäste aus Politik und Zivilgesellschaft nach Berlin. Der Bundeskanzler hielt die Festrede

von Imanuel Marcus  17.09.2025

München

Knobloch lobt Merz-Rede in Synagoge

Am Montagabend wurde in München die Synagoge Reichenbachstraße wiedereröffnet. Vor Ort war auch der Bundeskanzler, der sich bei seiner Rede berührt zeigte. Von jüdischer Seite kommt nun Lob für ihn - und ein Appell

von Christopher Beschnitt  16.09.2025

Auszeichnung

Düsseldorfer Antisemitismusbeauftragter erhält Neuberger-Medaille

Seit vielen Jahren setze sich Wolfgang Rolshoven mit großer Entschlossenheit gegen Antisemitismus und für die Stärkung jüdischen Lebens in Düsseldorf ein, hieß es

 16.09.2025

Erinnerung

Eisenach verlegt weitere Stolpersteine

Der Initiator des Kunst- und Gedenkprojekts, Gunter Demnig aus Köln, die Stolpersteine selbst verlegen

 16.09.2025

Porträt der Woche

Passion für Pelze

Anita Schwarz ist Kürschnerin und verdrängte lange das Schicksal ihrer Mutter

von Alicia Rust  16.09.2025

Bayern

Merz kämpft in Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  17.09.2025 Aktualisiert

Sachsen-Anhalt

Erstes Konzert in Magdeburger Synagoge

Die Synagoge war im Dezember 2023 eröffnet worden

 15.09.2025