Im Traktat Schabbat des Babylonischen Talmuds (21b) heißt es: »Die Weisen lehrten: Am 25. Kislew beginnen die Chanukka-Tage, acht an der Zahl.« Acht Festtage sind ungewöhnlich. Zwei der drei Wallfahrtsfeste – Pessach und Sukkot – dauern jeweils sieben Tage.
Die Zahl sieben zieht sich wie ein roter Faden durch das Judentum: G’tt erschuf die Welt in sieben Tagen, daher besteht auch die Woche aus sieben Tagen. Jeder siebte Tag, der Schabbat, ist heilig und G’tt geweiht. Der siebte Monat nach dem Auszug aus Ägypten ist Tischri – jener Monat, in dem die höchsten Feiertage des Judentums stattfinden. Das siebte Jahr ist das Schmitta-Jahr, in dem Feldarbeit untersagt ist. Nach sieben mal sieben Jahren endet ein Zyklus, nach dem in biblischen Zeiten die Felder zu ihren ursprünglichen Besitzern zurückkehrten.
Im Jerusalemer Tempel begegnet uns die Zahl sieben
Auch im Jerusalemer Tempel begegnet uns die Sieben: Die Menora musste sieben Leuchter haben. An Simchat Tora umkreisen wir siebenmal die Bima. Und eine Braut umrundet ihren Bräutigam bei der Hochzeit ebenfalls siebenmal.
Der Kabbala zufolge ist die gesamte Schöpfung Ausdruck von sieben g’ttlichen Energien (Sefirot), die die Welt formen, wie wir sie kennen. Der Maharal von Prag, Rabbi Jehuda Löw (1525–1609), erklärt, dass der Mensch sich im Raum in sechs Richtungen bewegen kann – oben, unten, rechts, links, vorn und hinten – und dass die siebte Dimension, die Mitte, der Mensch selbst ist.
Die Zahl sieben ist im Judentum so bedeutsam, weil sie die Vollkommenheit der natürlichen Welt symbolisiert. Gleichzeitig steht sie für das System, in dem der Mensch »gefangen« ist: Sobald der siebte Tag endet, beginnt wieder der erste. Der Mensch bewegt sich innerhalb der vom Maharal beschriebenen räumlichen Matrix und innerhalb der siebentägigen Zeitmatrix – aber nicht darüber hinaus.
Im 2. Buch Mose berichtet die Tora, dass die Israeliten sieben mal sieben Tage durch die Wüste wanderten. Am 50. Tag empfingen sie die Tora – ein Tag mehr als die siebte Siebenerfolge.
Die Symbolik dahinter: Die Offenbarung G’ttes ist übernatürlich. Der Schöpfer greift von außerhalb in das natürliche System ein und durchbricht dessen Ordnung, um eine Botschaft zu vermitteln.
Die Beschneidung muss am achten Tag erfolgen
Auch die Zahl acht finden wir in einem bedeutsamen Zusammenhang: Die Beschneidung muss am achten Tag erfolgen. Sie markiert den Beginn des Bundes mit G’tt. Das hebräische Wort »Brit« bedeutet sowohl Bund als auch Beschneidung und hat den Zahlenwert 612. Die Tora kennt 613 Gebote – und die Beschneidung ist eines davon. Symbolisch verweist sie darauf, dass alle übrigen 612 Gebote in Verbindung zu diesem Bund stehen.
Die Beschneidung ist ein Zeichen dafür, dass der Mann seine Sexualität in den Dienst des Schöpfers stellt. Das ist etwas Außergewöhnliches, widerspricht der natürlichen Neigung des Menschen und öffnet gleichzeitig die Tore für Wunder. So lehren unsere Weisen, dass sich das Meer am siebten Tag nach dem Auszug aus Ägypten nur dank des Grabes von Josefs öffnete, das die Israeliten mit sich führten. Josef ist bekannt dafür, der sexuellen Versuchung widerstanden zu haben, um seinen Bund nicht zu beschädigen. Die Israeliten standen also am siebten Tag an der Grenze des Natürlichen – ein Meer, das den Weg versperrte. Genau in diesem Moment rettet sie der Bund des achten Tages durch ein Wunder.
Was geschah also an Chanukka? Der siebenarmige Leuchter hatte nicht mehr genug Öl, um weiterzubrennen. In diesem Moment geschieht ein achttägiges Ölwunder. Wenn die natürlichen Ressourcen erschöpft sind, erfolgt ein übernatürliches Eingreifen. Dass Chanukka genau acht Tage dauert, ist daher kein Zufall, sondern eine tiefgreifende Symbolik: G’tt mischt sich ein – und deshalb sind Wunder, auch jenseits der Naturgesetze, möglich.