Chanukka

Ein ganz gewöhnliches Wunder

Das Herz: ein Wunderwerk des Lebens Foto: imago

»Was ist Chanukka? ... Als die königliche Familie der Hasmonäer überwältigte und war siegreich über [die Griechen], suchten und fanden sie nur einen einzigen Krug mit reinem Öl ... genug, um Licht der Menora für einen einzigen Tag. Ein Wunder geschah, und sie zündete die Menora mit diesem Öl für acht Tage.« (Talmud, Shabbat 21b)

Also es war ein Wunder! Und deswegen imponiert uns auch dieses Fest ganz besonders: Es hat so etwas Leichtes, etwas Märchenhaftes an sich. Doch wer glaubt schon an Wunder, wer kalkuliert im tagtäglichen Leben bei einer Problemlösung das Übernatürliche mit ein?

Feiern wir vom 25. Kislev bis 2. Tevet ein Märchen? Oder gedenken wir eines historischen Ereignisses, das uns eine Lehre erteilt, die unser Leben verändern kann. Indem wir den Blickwinkel ändern.

Wir gehen tatsächlich üblicherweise nicht von einem Wunder aus. Wir meinen, mit jedem Problem durch die konventionellen und rationalen Lösungswege fertig zu werden. Doch was passiert in einer Extremsituation, in der wir nicht mehr Herrscher unser selbst sind? Was passiert in einem abstürzenden Flugzeug? Was geschieht in den wenigen Minuten der von schrillen Sirenen begleiteten Fahrt zur Notaufnahme? Da gibt es nur eines: Hoffen auf Wunder. Und beten. Im abstürzenden Flugzeug gibt es keine Atheisten.

Philosophie Die Hellenisten suchten nicht die physische Zerstörung des jüdischen Volkes. Ganz im Gegenteil, sie wollten es aufklären, indem sie den Juden ihre hedonistischen Doktrinen aufdrängten. Der Mensch und seine Selbstbefriedigung waren es, in ihren Augen, worum alles ging. Er war der Gott.

Die Philosophie war so anziehend, so verführerisch – war wir auch selbst spüren können –, dass die Juden anfingen, sich rasch zu assimilierten. In wenigen Jahren würden sie sich zum Schicksal der Inka oder Azteken verdammen. Aber wir sind immer noch da! Was hat uns gerettet? Ein kleiner Krug mit reinem Öl genug für einen Tag, der achtmal so lang brannte.

Sieg Dieser kleine Strahl aus dem Urbewusstsein des Volkes, der das Überrationale ins Licht brachte, rettete unser Volk und bewahrte für die Menschheit das Verständnis der wahren Werte. Und die Juden kämpften. Und sie siegten. Die Schwachen über die Starken. Wie durch ein Wunder.

Um diesen Moment zu zelebrieren, wäre ein Tag des brennenden Öls auch genug. Warum waren acht Tage nötig? Von Natur aus flammt die Potenz des Menschen auf dem Höhepunkt der starken Sinnesempfindung auf, sinkt dann aber zurück in die Routine. Wenn das innere Selbst des Menschen herausgefordert wird, so kann das Urlicht des Menschen nicht erlöschen, doch die Zeit vergeht und ein Held, ein über der Materie stehendes We-
sen, wird wieder zu einem Sterblichen.

Lehre Die Lehre von Chanukka ist, dass wir solche Momente der Wahrheit nicht als euphorische Erscheinung abtun, sondern sie uns auch im Tagtäglichen begleiten und prägen lassen.

Wir schätzen so wenig das unbezahlbare Privileg unseres Lebens. Die Tatsache, dass wir als Folge der Fotosynthese atmen – ist das wirklich so gewöhnlich? Unser Herz schlägt im Sekundentakt jahrzehntelang, ohne dass es an eine Steckdose angeschlossen ist – ist das so trivial? Wir leben von Wundern umgeben. Auf Schritt und Tritt. Wir leben so schnell, so oberflächlich und so gewöhnlich. Es ekelt uns an, aber wir bleiben in der Illusion der Routine stecken in einer Welt, die von Wundern erfüllt ist.

Nur gelegentlich, wie in einer rasenden Ambulanz oder bei der Ereignissen von Chanukka, macht uns G’tt sehr klar, dass wir nicht unbedingt so kläglich leben sollen, das reine Licht soll brennen. Manchmal gelingt es uns, das nicht zu übersehen.

Der Autor ist Student des Rabbinerseminars zu Berlin

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