Talmudisches

Die Königin bei Rabbi Meir

Kleopatra zweifelte nicht an der Auferstehung, sondern interessierte sich vor allem dafür, wie sie vonstattengehen wird. Foto: Ullstein

Talmudisches

Die Königin bei Rabbi Meir

Kleopatra fragt, ob die Auferstehung von den Toten nackt erfolgt

von Noemi Berger  25.06.2018 19:30 Uhr

Es mag überraschen, einige der großen Persönlichkeiten der Antike im Talmud zu treffen. So lesen wir in Sanhedrin 90b von einem kurzen Gespräch zwischen der berühmten ägyptischen Königin Kleopatra und Rabbi Meir, einem der größten Gelehrten seiner Zeit.

In dieser Unterhaltung sagt Kleopatra zu Rabbi Meir: »Ich weiß, dass es eine Auferstehung der Toten gibt, denn dies steht in den Psalmen: ›Es wird reichlich Getreide geben in der Erde, auf dem Gipfel der Berge; gleich dem Libanon wird erbeben seine Frucht; und die Stadt Jerusalem wird aufblühen wie das Gras auf Erden‹« (72,16).

»Aber«, fährt Kleopatra fort, »werden die Toten, wenn sie auferstehen, nackt oder bekleidet sein?«

Rabbi Meir antwortet: »Lerne von dem Samen des Weizens, der ohne seine Hülle im Boden vergraben ist, aber wenn er hervorsprießt, ist er mit vielen Schalen umhüllt. Umso mehr werden die Gerechten, die man mit ihren Kleidern begräbt, selbstverständlich in ihren Gewändern auferstehen.«

Allegorie Man mag sich fragen, warum Kleopatra so besorgt über diesen Aspekt war. Glaubte sie so fest an die Auferstehung, dass sie Fragen zu Details stellen musste? Und warum zitierte sie ausgerechnet diesen Psalm? Es stellt sich auch die Frage, warum Rabbi Meir ihr mit einer Allegorie über Weizen antwortete und nicht direkt Auskunft gab. Was soll Kleopatra aus seiner Antwort lernen?

Der Talmud enthält niemals nur interessante Aussagen, um uns zu beeindrucken. Vielmehr muss sich aus all dem eine Lehre ziehen lassen, die für uns gelten soll. Wie steht es in diesem Fall darum?

Um diese Fragen zu beantworten, sollten wir zunächst einen Blick in die Geschichte werfen. Kleopatra war Königin von Ägypten. Sie hatte den Thron als junges Mädchen geerbt und wurde zu einer mächtigen Herrscherin, die von einem Weltreich träumte. Nach dem Tod ihres Geliebten Caesar wurde sie Herrscherin von Ägypten. Außerdem war sie später die Geliebte des römischen Feldherrn Marcus Antonius. Sie betrachtete sich als die neue Isis, die ägyptische Göttin der Geburt, der Wiedergeburt, aber auch des Todes. Nachdem Marcus Antonius sich in sein Schwert gestürzt hatte, nahmen ihre Feinde sie gefangen, und auch sie beging Selbstmord.

Pyramiden Wir wissen, dass die ägyptischen Könige nicht nur mit all ihren Reichtümern beerdigt wurden, sondern auch mit ihren Dienern. Die großen Pyramiden waren die Grabkammern der Herrscher Ägyptens. In ihnen fand man viele Schätze, Vorräte und Knochenreste der Bediensteten, die zusammen mit den Herrschern begraben wurden, um den toten Machthabern auch im Jenseits gebührend dienen zu können.

Wir sehen, dass die antiken Völker an eine kommende Welt glaubten. Doch war das Konzept ein anderes als im Judentum. Kleopatra zweifelte nicht an der Auferstehung, sondern interessierte sich vor allem dafür, wie sie vonstattengehen wird.

Die Königin war mit ihren Eitelkeiten beschäftigt. So zitiert sie das Psalmwort, das sich auf den Wiederaufbau Jerusalems bezieht, in der Erwartung, dass auch die große ägyptische Stadt Alexandria wiederaufgebaut wird und sie, Kleopatra, nach der Auferstehung wieder regieren kann. Doch ihre größte Sorge ist, dass sie möglicherweise unbekleidet ins Leben zurückkehrt. Einer Frau wie Kleopatra erschien dies äußerst unangenehm.

Doch was sie sich unter der Auferstehung vorstellte, entspricht nicht dem jüdischen Verständnis. Wir glauben nicht, dass der Zweck der Auferstehung darin besteht, unser irdisches Leben so fortzusetzen, wie wir es im Diesseits erleben. Vielmehr geht es uns darum, ein größeres Verständnis des einen, wahren G’ttes zu erlangen, eine größere Nähe zu Ihm zu erreichen, und nicht darum, unsere rein materielle Existenz fortzuführen.

Israel

Rabbiner verhindert Anschlag auf Generalstaatsanwältin

Ein Mann hatte den früheren Oberrabbiner Jitzchak Josef um dessen religiöse Zustimmung zur »Tötung eines Aggressors« ersucht. Die Hintergründe

 26.08.2025 Aktualisiert

Re'eh

Freude, die verbindet

Die Tora zeigt am Beispiel der Feiertage, wie die Gemeinsamkeit gestärkt werden kann

von Vyacheslav Dobrovych  22.08.2025

Elul

Der erste Ton des Schofars

Zwischen Alltag und Heiligkeit: Der letzte Monat vor dem Neujahr lädt uns ein, das Wunderhafte im Gewöhnlichen zu entdecken

von Rabbiner Raphael Evers  22.08.2025

Talmudisches

Positiv auf andere schauen

Was unsere Weisen über den Schutz vor bösem Gerede und die Kraft positiver Gedanken lehren

von Diana Kaplan  21.08.2025

Naturphänomene

Entzauberung des Gewitters

Blitz und Donnergrollen wurden lange als Zorn der Götter gedeutet. Doch die Tora beendete diesen Mythos

von Rabbiner Igor Mendel Itkin  21.08.2025

Fulda

Vor 80 Jahren - Schuldbekenntnis der Bischöfe nach dem Krieg

Sie stand im Zenit ihres Ansehens. Nach Kriegsende galt die katholische Kirche in Deutschland als moralische Macht. Vor 80 Jahren formulierten die Bischöfe ein Schuldbekenntnis, das Raum für Interpretationen ließ

von Christoph Arens  18.08.2025

Ekew

Nach dem Essen

Wie uns das Tischgebet lehrt, bewusster und hoffnungsvoller durchs Leben zu gehen

von Avi Frenkel  15.08.2025

Talmudisches

Granatapfel

Was unsere Weisen über das Sinnbild der Fülle lehren

von Chajm Guski  15.08.2025

Geschichte

Quellen des Humanismus

Wie das Gʼttesbild der jüdischen Mystik die Renaissance beeinflusste

von Vyacheslav Dobrovych  14.08.2025