Gaza-Konflikt

Zum Handeln gezwungen

Mehr als 1000 Raketen sind in einer Woche auf Israel niedergegangen, wie hier am Dienstagabend in Rischon LeZion. Foto: Flash 90

Die Berichterstattung über Israels Operation »Wolkensäule« mutet wie die langweilige Wiederholung einer schlechten Nachrichtensendung an. Eine Reprise der Operation »Gegossenes Blei« aus dem Jahr 2008, als Israel schon einmal gegen die Hamas Krieg führte und Teile des Gazastreifens eroberte; oder des zweiten Libanonkriegs 2006, als Israel gegen die Hisbollah-Miliz kämpfte; oder unzählige andere Militäraktionen, die stets mit demselben Resultat endeten: mehr Hass auf beiden Seiten und das Gefühl, dass ein weiterer Schlagabtausch unvermeidlich ist.

Rund 65 Tage vor Israels Parlamentswahlen gab nun auch Premier Benjamin Netanjahu den Befehl zum Angriff in Gaza. Palästinensische Kommentatoren wähnten in seiner Offensive nicht das deklarierte Bestreben, Abschreckung gegenüber der Hamas wiederherzustellen und im Süden Israels für Ruhe zu sorgen: Sie witterten einen heimtückischen Versuch, die Absicht ihres Präsidenten Mahmud Abbas, Ende November für die Palästinenser bei den Vereinten Nationen Beobachterstatus zu beantragen, mit einem blutigen Krieg zu untergraben.

argwohn Linke israelische Oppositionelle argwöhnten, Netanjahu wolle mitten im Wahlkampf die Diskussion auf Sicherheitsfragen konzentrieren, um von innenpolitischen Problemen abzulenken. Arabische Beobachter vermuteten zynisch, Netanjahu wolle mit dem Blut toter Palästinenser in Gaza eine Welle patriotischer Gefühle tränken, um auf ihr Ende Januar zum Wahlsieg zu reiten.

Doch sie scheinen Fakten zu ignorieren. Laut allen Umfragen hätte Netanjahu die Wahlen auch ohne Krieg haushoch gewonnen. Wozu also das Risiko eines Krieges eingehen? Den Gang der Palästinenser zur UNO mit Krieg zu verhindern, scheint absurd: grundlose Aggression vonseiten Israels würde Abbas’ Legitimation nur stärken und die Israels schwächen.

eskalation Hauptursache und Anlass für die neue Eskalation im Süden Israels war schlicht der andauernde Raketenbeschuss von mehr als einer Million Bürgern. Sie leben seit Langem unter dem Raketenhagel aus Gaza – insgesamt jetzt mehr als 14.000 Geschosse in elf Jahren. Palästinensische Terroristen feuern nach eigenem Gutdünken völkerrechtswidrig auf israelische Ballungszentren – mal als »Reaktion« auf israelische Aggression, mal »präventiv«, mal ohne Erklärung. Übrigens vorzugsweise um viertel vor acht morgens: Dann befinden sich nämlich die meisten Kinder mit ihren Eltern auf dem Schulweg und nicht in der Nähe eines Schutzraums.

Der Beschuss hat in den Wochen vor dem Angriff auf Gaza massiv zugenommen. Hinzu kam, dass palästinensische Terrororganisationen neuerdings wiederholt Soldaten jenseits des Grenzzauns zum Gazastreifen auf souveränem israelischem Staatsgebiet angriffen – laut internationalem Recht eine Kriegserklärung. Die Bewohner im Süden Israels fühlten sich wie Schießbudenfiguren, verlassen von ihrer Regierung und vergessen von einer Welt, die sich nicht dafür interessiert, wenn 20 Raketen pro Woche einschlagen.

arabische welt Dass die Welt erst jetzt erwacht, ist Teil des Problems: Die Eskalation um Gaza begann nicht in der vergangenen Woche, sondern vor einem Jahrzehnt. Und für dieses Problem, das Netanjahu von seinen Vorgängern übernahm, riskierte er seine Karriere und Israels Beziehungen zur arabischen Welt. Niemand weiß, wie sich der Arabische Frühling weiterentwickeln wird. Netanjahu ist nicht als Premier bekannt, der übereilte Schritte unternimmt. Im Gegenteil, er wägt ab und laviert, ändert häufig seine Meinung. Er führte Israel bisher in keinen gewagten Krieg.

Vielleicht war das Maß einfach voll, die Angriffe der Hamas zu gewagt. Wollte er der Hamas klarmachen, dass sie nicht unantastbar ist, selbst wenn sie sich auf ein von Muslimbrüdern regiertes Ägypten berufen kann? Wollte er der Gefahren im Süden Herr werden, bevor sich an der Grenze zu Syrien neue auftun?

abschreckung Netanjahu erhebt nicht den Anspruch, mit der Operation »Wolkensäule« neue Realitäten zu schaffen. Er wollte bestenfalls kurzfristig für Abschreckung und damit Ruhe sorgen. Dass dieses Ziel realistisch ist, zeigt das libanesische Beispiel: Seit dem zweiten Libanonkrieg 2006 erweist sich Israels Abschreckung dort als effektiv. Die Hisbollah verletzt die Grenze nicht mehr. Selbst jetzt nicht. Dieser Zustand soll sich auch um Gaza herum einstellen.

Genau wie die Hisbollah wird auch die Hamas Israel weiter hassen, die arabische Welt Israel als Aggressor verunglimpfen und sich nach einer Waffenruhe sofort wieder auf den nächsten Schlagabtausch vorbereiten. Der – darin sind sich alle Beobachter einig – irgendwann stattfinden wird. Doch bis dahin wollen die Israelis Ruhe. Und um diese zu erhalten, so war und ist Netanjahu überzeugt, hat sein Volk wie jedes andere auf der Welt das Recht, sich gegen den Beschuss seiner Städte zur Wehr zu setzen.

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