Debatte

Wolffsohn: »Jetzt geht es den Juden an den Kragen«

Michael Wolffsohn Foto: Gregor Matthias Zielke

Der Historiker Michael Wolffsohn sieht in der westlichen bürgerlichen Gesellschaft ein weit verbreitetes widersprüchliches Verhalten gegenüber Minderheiten. So gebe es gegenüber der jüdischen Minderheit einen »Denk- und Gefühlsbruch«, sagte Wolffsohn der »Berliner Zeitung« (Donnerstag): »Rücksicht auf Minderheiten, Empathie, all diese schönen und oft auch gelebten Eigenschaften gelten nicht für Juden. Und ich sehe keinen anderen Grund dafür als den Antisemitismus«, sagte der 77-jährige Historiker und Buchautor.

Wolffsohn, der 1954 mit seinen jüdischen Eltern aus Israel nach Deutschland zog, betonte, Juden seien demnach »fremd, anders, unerwünscht«. Diese Sichtweise habe eine 3000-jährige Geschichte.

Juden seien immer nur erwünscht, »wenn sie für irgendetwas gebraucht werden«. Juden werde seit jeher, wenn überhaupt, keine echte, sondern lediglich funktionale Toleranz entgegengebracht.

Dies gelte auch für die Bundesrepublik Deutschland, sagte Wolffsohn weiter: »Sie hat in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens und auch in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung den pfleglichen Umgang mit Juden gebraucht, um zeigen zu können, dass sie nicht mehr das alte Dritte Reich ist.« Da Deutschland heute ein international angesehener Staat sei, brauche es die Juden als funktionales Alibi nicht mehr. »Daraus folgt: Jetzt geht es den Juden an den Kragen. Nicht in Form eines Holocaust 2.0. Aber die verbale und auch körperliche Gewalt gegen Juden ist ein Alltagsphänomen«, sagte Wolffsohn. epd

Kommentar

Den Nachkommen der Schoa-Opfer kaltschnäuzig und nassforsch die Leviten gelesen

Ausgerechnet zum 60. Jubiläum der deutsch-israelischen Beziehungen kritisiert die ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann die Kriegsführung in Gaza, und das auch noch, ohne die Hamas zu erwähnen

von Esther Schapira  16.05.2025

Nahost-Diplomatie

Medien: Syrien und Israel führen indirekte Gespräche. Trump: »Al-Sharaa ist ein starker Typ«

Der US-Präsident forciert bei seinem Nahostbesuch die Idee weiterer Abraham-Abkommen mit Israel - auch Syrien soll Interesse signalisiert haben

 16.05.2025

Justiz

Ankläger von Weltstrafgericht tritt zurück

Chefankläger Karim Khan wird des sexuellen Missbrauchs beschuldigt

 16.05.2025

Interview

»Es hätte viel kürzer und klarer sein müssen«

Peter Neumann über das AfD-Gutachten des Verfassungsschutzes, die internationale Debatte darüber und ein mögliches Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme Partei

von Nils Kottmann  16.05.2025

Gedenken

Sinti und Roma erinnern an Widerstand in Auschwitz-Birkenau

An diesem Tag sollte der Lagerabschnitt B II e, das sogenannte »Zigeunerlager«, in dem Tausende von Sinti und Roma inhaftiert waren, aufgelöst und sämtliche Häftlinge in den Gaskammern ermordet werden

 16.05.2025

Interview

»Außenpolitik geht nicht mit Belehrungen«

Der Bundestagsabgeordnete Armin Laschet (CDU) über die Nahostpolitik der neuen Bundesregierung, deutsche Geiseln in Gaza und die Zukunft der Abraham Accords

von Joshua Schultheis  16.05.2025

Berlin

»Die rohe Gewalt der Demonstranten erschüttert mich«

Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden, verurteilt Angriffe gegen Polizisten bei israelfeindlicher Kundgebung

von Imanuel Marcus  16.05.2025

Tel Aviv/Ravensburg

Ricarda Louk kämpft für das Andenken an ihre Tochter Shani

Am 7. Oktober 2023 wollte Ricarda Louks Tochter mit anderen jungen Menschen tanzen und feiern – dann kam das Massaker der Hamas. Vor einem Jahr wurde Shanis Leiche gefunden. So geht es ihrer Familie heute

 16.05.2025

Berlin

Polizist von Israelhassern beinahe zu Tode geprügelt – 56 Festnahmen bei »propalästinensischer« Demonstration

Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) verurteilt die Tat und die bei der Kundgebung verbreitete »antisemitische Hetze«

von Imanuel Marcus  16.05.2025 Aktualisiert