Meinung

Wo man Bücher verbrennt ...

Dieter Graumann Foto: Rafael Herlich

Tausende Touristen flanieren in diesen schönen Maitagen in Berlin auf dem Boulevard Unter den Linden. Manch einer wird sicher auch den Bebelplatz überqueren. Vielleicht bleibt auch einmal jemand stehen an der unauffälligen Glasscheibe, die in den Boden eingelassen ist. Der Blick fällt auf unterirdische Bücherregale: Sie sind leer.

Vor genau 80 Jahren, am 10. Mai 1933, ließen die nationalsozialistischen Machthaber mithilfe der Deutschen Studentenschaft überall im Land Bücher verbrennen. Werke berühmter Autoren gingen in Flammen auf: von Heinrich Heine und Sigmund Freud, von Thomas und Heinrich Mann, von Bertolt Brecht und Erich Kästner, von Kurt Tucholsky und Alfred Kerr, um nur einige zu nennen. Viele jüdische Schriftsteller waren darunter, sehr viele sogar.

Mahnmal An die Bücherverbrennung in Berlin, damals hieß der Platz noch Opernplatz, erinnert das Mahnmal mit den leeren Regalen. Auch Reichspropagandaminister Joseph Goebbels nahm an dem grausigen Schauspiel teil. Er hatte die Kampagne »Wider den undeutschen Geist« in Gang gesetzt. Erich Kästner erinnerte sich später: »(Ich) sah unsere Bücher in die zuckenden Flammen fliegen und hörte die schmalzigen Tiraden des kleinen abgefeimten Lügners.«

Die ersten politischen Maßnahmen gegen Juden waren längst umgesetzt, als die Nazis mit der Bücherverbrennung endgültig ihre niederträchtige Gesinnung offenbarten. Spätestens jetzt hätten die Deutschen unbedingt aufwachen müssen! Bei Heinrich Heine findet sich schon 1823 der Satz, der dann so berühmt und vor allem so grausame Wahrheit wurde: »Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.«

Verlust Der Jahrestag der Bücherverbrennung führt uns aber auch vor Augen, wie sehr und wie nachhaltig der Nationalsozialismus die deutsche Kultur und das deutsche Geistesleben beschädigt hat. So viele Schriftsteller, Maler, Schauspieler, Musiker, Kabarettisten und Publizisten verließen das Land oder wurden sogar umgebracht. Einige nahmen sich aus Verzweiflung das Leben. Diese Lücke konnte Deutschland niemals wieder wirklich schließen. Sogar noch heute ist sie schmerzlich zu spüren.

Heute, 80 Jahre später, gilt es für uns alle aber immer noch, wachsam zu bleiben. Ob hasserfüllte Neonazis das Tagebuch der Anne Frank verbrennen oder religiöse Fanatiker die Bücher, die anderen wiederum heilig sind: Dort gilt es auch heute einzugreifen – wider den Ungeist der Intoleranz und Menschenfeindlichkeit!

Der Autor ist Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen nun in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  30.04.2025

Nahost

Heftige Gefechte in Syrien: Erneut mehrere Tote. Jetzt schaltet sich Israel ein

Eine Tonaufnahme löst in Syrien erneut eine Welle der Gewalt aus. Mehrere Menschen werden getötet

von Amira Rajab, Nehal ElSherif  30.04.2025

Bergen-Belsen

Die Lebenden und die Toten

Das Lager war ein Ort des Sterbens, doch hier wurden auch Menschen geboren. Überlebende, Angehörige und sogenannte DP-Babys trafen sich nun zum gemeinsamen Gedenken. Unsere Autorin war dabei

von Amie Liebowitz  30.04.2025

Joshua Schultheis

Lieber Friedrich Merz!

Der künftige Kanzler steht vor einer historischen Aufgabe im Umgang mit den Juden und mit Israel. Unser Autor hat ihm einen Brief geschrieben

von Joshua Schultheis  30.04.2025

Prozess

Terror-Unterstützerin kommt mit Verwarnung davon

Aitak Barani hatte kurz nach dem 7. Oktober 2023 die Massaker der Hamas als »gelungene Widerstandsaktion« bezeichnet. Dafür bekam sie vom Amtsgericht Frankfurt eine Geldstrafe - die sie aber vorerst nicht zahlen muss

 30.04.2025

20 Jahre Holocaust-Mahnmal

Tausende Stelen zur Erinnerung - mitten in Berlin

Selfies auf Stelen, Toben in den Gängen, Risse im Beton - aber auch andächtige Stille beim Betreten des Denkmals. Regelmäßig sorgt das Holocaust-Mahnmal für Diskussionen. Das war schon so, bevor es überhaupt stand

von Niklas Hesselmann  30.04.2025

Bern

Schweizer Juden reagieren auf Verbot der Terrororganisation Hamas

Deutschland hat die Terrororganisation schon kurz nach dem Angriff vom 7. Oktober 2023 verboten. Die Schweiz zieht jetzt erst nach

 30.04.2025

Den Haag

USA rechtfertigen vor UN-Gericht Israels Blockade humanitärer Hilfe

Israel habe ein berechtigtes Sicherheitsinteresse, sagt der Rechtsvertreter aus Washington D.C.

 30.04.2025

Regierung

Mit Davidstern ins Kabinett

Karin Prien wird Deutschlands erste Bundesministerin mit jüdischen Wurzeln. Erst seit wenigen Jahren spricht die CDU-Politikerin öffentlich über ihre Familiengeschichte

von Michael Thaidigsmann  30.04.2025