Einspruch

Wir müssen nichts beweisen

Es war jedes Jahr das Gleiche: Sabine (die in Wirklichkeit anders heißt) war in mich verschossen und lud mich zum Geburtstag ein – und wegen ihrer Mutter wieder aus. »Ausländer« wollte sie nicht zu Hause haben. Während ich mich in der Grundschule langweilte, bat mich Sabine um Nachhilfe in Deutsch und Mathe. Aber ihre Mutter verbot mir, ihre Wohnung zu betreten.

Erfahrungen wie diese kennt fast jeder Mensch mit Migrationsgeschichte in Deutschland – egal ob muslimisch, jüdisch, alevitisch, christlich oder atheistisch.

Deutschsein Aus diesem Grund hat der deutsch-türkische Aktivist Ali Can auf Twitter die Kampagne MeTwo gestartet, auf Deutsch: »IchZwei«, in Anlehnung an den Twitter-Hashtag MeToo gegen Sexismus. Die »Zwei« steht für multiple Identitäten, die für Menschen wie Can und mich Alltag sind.

Das »Zwei« ändert aber nichts daran, dass wir uns in Deutschland zu Hause fühlen und uns mit diesem Land identifizieren. Zugleich hassen wir es, dass die Mehrheitsgesellschaft von uns erwartet – von Muslimen noch deutlich häufiger –, unser Deutschsein stets aufs Neue zu beweisen.

Bei den Pegida-Demos bejubeln normale Deutsche regelmäßig Putin. Doch wenn Mesut Özil ein Foto mit Erdogan macht, dann ist das zwar falsch, doch sollten solche Fehltritte nicht für eine Debatte benutzt werden, ob jemand sich sein Deutschsein verdient hat oder nicht.

Schule Apropos falsch: Als ich mich in der siebten Klasse auf einen vermeintlich falschen Stuhl setzte, schrie mich ein Mitschüler an, was ich mir einbilde: Ich dürfe nur in Deutschland sein, weil meine Mutter »einen deutschen Hund gefi**t hat«.

Die Absurdität der Beschimpfung mal dahingestellt: Als jüdischer Kontingentflüchtling aus der Sowjetunion war ich mit niemand Deutschem verwandt. Eingebildet habe ich mir nur, dass solcher Rassismus hier irgendwann vorüber sei. Die Erlebnisse, die unter #MeTwo geteilt werden, die Debatten um Özil und Leitkultur zeigen aber: Es bleibt fast jedes Jahr das Gleiche.

Der Autor ist Sozialwissenschaftler und Fellow des Mercator Kollegs für internationale Aufgaben.

Jerusalem

Netanjahu entlässt Verteidigungsminister wegen Kritik an Justizreform 

Der Politiker hatte die eigene Regierung zum Dialog mit Kritikern aufgerufen

 26.03.2023

Nahost

Emirate lässt zum Tode verurteilte Israelin frei

Kurz nachdem die Emirate und Israel ihre Beziehungen normalisiert hatten, war die Frau mit etwa 500 Gramm Kokain festgenommen worden. Nun gibt es eine Wende

 26.03.2023

USA

USA: Zahl antisemitischer Zwischenfälle steigt sprunghaft an

Auch die judenfeindliche Gewalt eskaliert in den Vereinigten Staaten

 24.03.2023

USA

Trump, Soros und die Verschwörungstheorien

Der Philanthrop George Soros ist mit seinem liberalen Engagement vielen Konservativen in den USA ein Dorn im Auge. Jetzt machen ihn Trump-Anhänger sogar für die drohende Anklage gegen den Ex-Präsidenten mitverantwortlich

 24.03.2023

Drittes Reich

»Etappensieg auf dem Weg zur totalen Macht«

Feierlichkeiten in Potsdam und Terror in Oranienburg: Vor genau 90 Jahren gab Hitler am »Tag von Potsdam« in der Garnisonkirche eine Regierungserklärung ab. Am selben Tag wurden die ersten Häftlinge in das KZ Oranienburg verschleppt

von Yvonne Jennerjahn  24.03.2023

Großbritannien

Treffen in der Downing Street

Begleitet von Protesten ist Israels Premier zu Gesprächen mit Rishi Sunak in London eingetroffen

von Christoph Meyer  24.03.2023

Konferenz

Vertreter jüdischer Organisationen tagen in Berlin

Auf dem »Fifth Summit of European Jewish Leaders« wird auch der israelische Diaspora-Minister Amichai Chikli erwartet

von Imanuel Marcus  23.03.2023

90. Jahrestag

Ermächtigungsgesetz war »Totenschein der ersten deutschen Demokratie«

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warnt vor »einer Politik der Lügen« und ruft zu gegenseitigem Respekt auf

 23.03.2023

Diplomatie

Nein, danke

Warum die Regierung in Jerusalem vom EU-Außenbeauftragten Josep Borrell zurzeit nichts wissen will

von Michael Thaidigsman  23.03.2023