Nationales Gedenken

Wieder steht alles still

Wieder herrscht in Israel Stille. Eine Woche nach dem Holocaust-Gedenktag Jom Haschoa erinnert das Land seit Montagabend an seine gefallenen Soldaten und die Opfer von Terrorismus.

Um 20 Uhr am Montag ertönte der erste Sirenenton durch die Abendluft. Dann standen die Israelis mit gesenktem Kopf und gedachten der 24.213 im Dienst für das Land Gefallenen und der 4255 Opfer von Terror.

Seit dem vergangenen Jom Hasikaron 2023 sind weitere 59 israelische Soldatinnen und Soldaten gefallen. Weitere 86 Veteranen starben an den Folgen von Verletzungen, wie das Verteidigungsministerium mitteilte.

EHREN Die erste Zeremonie zu Ehren der Gefallenen fand am Montagnachmittag im Beit Yad Lebanim in Jerusalem mit Ministerpräsident Benjamin Netanyahu, Bürgermeister Moshe Leon sowie politischen und militärischen Vertretern und trauernden Familien statt. Bei der zentralen Gedenkzeremonie nach 20 Uhr an der Kotel in Jerusalem sprachen Präsident Isaac Herzog und IDF-Stabschef Herzi Halevi.

Am Dienstag um elf Uhr schrillte die Sirene zum zweiten Mal in einem gleichbleibenden Ton in allen Gegenden des Landes. Wieder hielt das gesamte Leben der kleinen Nahostnation für zwei Minuten an.

Autos stoppten mitten auf der Straße, die Fahrer stiegen aus und standen still neben ihren Pkw, Maschinen wurden angehalten, das Leben machte eine Pause. Auf den Werbebildschirmen an den Kreuzungen flackerten virtuelle Kerzen.

Es gibt in Israel kaum jemanden, der nicht im Verwandten- und Bekanntenkreis einen Lieben hat, der durch Krieg oder Terror ums Leben gekommen ist.

Es gibt in Israel kaum jemanden, der nicht im Verwandten- und Bekanntenkreis einen Lieben hat, der durch Krieg oder Terror ums Leben gekommen ist. Zu ihren Ehren werden am Jom Hasikaron etwa eineinhalb Millionen Besucher auf den 54 Militärfriedhöfen von Nord nach Süd erwartet.

PROTESTE Seit Wochen sorgen sich allerdings viele Menschen, dass es gerade dabei zu würdelosen Szenen kommen könnte, wenn kontroverse Koalitionspolitiker sprechen, besonders jene, die nicht in der Armee gedient haben, und Demonstranten dagegen protestieren. Tausende Angehörige von Gefallenen hatten gefordert, dass Politiker am Dienstag nicht wie gewöhnlich an den Zeremonien auf den Militärfriedhöfen teilnehmen.

Einige Minister und Abgeordnete sagten ihre geplanten Auftritte bei Gedenkveranstaltungen daraufhin ab. Andere jedoch, vor allem der rechtsextreme Nationale Sicherheitsminister Itamar Ben Gvir, bestehen darauf, bei den Zeremonien zu sein. Es wird erwartet, dass es dann zu Protesten kommen wird.

Der Premierminister hatte die Israelis aufgefordert, die Differenzen, insbesondere in Bezug auf die Debatte über die Justizreform der Regierung, für einen Tag beiseitezulegen, damit das Land seine Helden betrauern kann. »Jeder Grabstein in den Militärabteilungen der Friedhöfe erzählt die Geschichte eines abgebrochenen Lebens. Wir müssen vereint für sie einstehen, um ihres Opfers würdig zu sein«, sagte er.

KONSENS In einer seltenen Demonstration von Konsens forderten auch der israelische Oppositionsführer Yair Lapid und der ehemalige Verteidigungsminister Benny Gantz, Politik und Proteste an diesem besonderen Tag außen vor zu lassen.

Bei der Abschlusszeremonie wird Rabbi Leo Dee, der Anfang dieses Monats seine Frau Leah und seine Töchter Maia und Rina bei einem palästinensischen Terroranschlag verlor, das Yizkor-Gedenkgebet sprechen.

Der Jom Hasikaron wird am Dienstagabend um 19.45 Uhr enden. Dann werden die Israelis ihre Traurigkeit der Fröhlichkeit weichen lassen, wenn sie im ganzen Land Israels 75. Unabhängigkeitstag feiern.

Meinung

Wenn Social Media zur Gefahr für die Demokratie wird

Politik und Plattformbetreiber müssen konsequent gegen Desinformation und Hetze vorgehen

von Anna Staroselski  12.12.2024

Berlin

Roth: Israelische Angriffe auf syrische Waffenlager verständlich

Israels Luftwaffe bombardiert seit dem Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad massiv militärische Einrichtungen in Syrien. Der SPD-Politiker zeigt dafür zum Teil Verständnis

 12.12.2024

Nach Eklat

Vatikan entfernt Jesus-Kind mit Keffiyeh

Nach tagelanger Kritik hat die katholische Kirche nun reagiert, auch wenn sie sich öffentlich nicht äußert

von Nils Kottmann  12.12.2024

Baden-Württemberg

Nach antisemitischen Anfeindungen: Innenminister will Pfarrer schützen

Ein evangelischer Pastor in Langenau bei Ulm wird seit Monaten wegen seiner Kritik an den Hamas-Massakern angefeindet

 12.12.2024

Berlin

Was die Bundesregierung gegen Antisemitismus tun will

Mehr Beauftragte, mehr Programme - und trotzdem mehr Judenhass. Der neue Bericht der Bundesregierung zeigt Fortschritte und Lücken bei der Bekämpfung von Antisemitismus auf. Eine Bilanz der vergangenen vier Jahre

 12.12.2024

Leitartikel

Islamisten als Befreier?

Nach dem Sturz der blutigen Assad-Diktatur atmet die Welt auf. Was die Umwälzungen für den Nahen Osten bedeuten – und für Israels Sicherheit

von Peter R. Neumann  12.12.2024

Europa

Kniefall in Warschau - Söder gedenkt Polens Kriegsopfern

In Warschau legt Markus Söder einen Opferkranz nieder und kündigt polnische Hinweisschilder für Bayerns Gedenkstätten an. Im Gespräch mit dem Regierungschef geht es um einen aktuellen Krieg

 11.12.2024

Meinung

Syrien: Warum machen wir immer wieder den gleichen Fehler?

Der Westen sollte keinem Mann vertrauen, der bislang als Terrorist gesucht wurde

von Jacques Abramowicz  11.12.2024

Meinung

Es sollte uns beschämen, dass Juden in Deutschland sich nicht mehr sicher fühlen können

Ein Gastbeitrag von Adrian Grasse

von Adrian Grasse  11.12.2024