Meinung

Wenn Judenhass Literatur ist

Gila Lustiger Foto: imago

Meinung

Wenn Judenhass Literatur ist

Die französische Diskussion um die Schriften Célines zeigt, wie schwer der Umgang mit Antisemitismus in der Kunst ist

von Gila Lustiger  22.01.2018 18:12 Uhr

Eine Lektorin sagte mir einmal, dass sie neben den Manuskripten der Hausautoren pro Tag zwischen zehn und 15 unverlangt eingesandte Manuskripte erhält. Verlegen würde sie jedoch nur eine Handvoll. Sich gegen ein Buch zu entscheiden, das ist das tägliche Geschäft eines Verlegers.

Das Verlagshaus Gallimard sieht nun von der Wiederveröffentlichung der drei antisemitischen Pamphlete Louis-Ferdinand Célines aus den Jahren 1937, 1938 und 1941 ab. Sie hätten in einem Sammelband mit einem kritischen Vorwort erscheinen sollen. Während der deutschen Besatzungszeit hatte Robert Denoël, Célines Verleger, zwei der drei Hetztiraden noch einmal herausgebracht – aus ideologischen Gründen. Wie auch Céline war sein Verleger, der später von der Résistance ermordet wurde, Antisemit und Anhänger Hitlers.

flucht Um dem Schicksal seines Verlegers zu entgehen, floh Céline nach Deutschland, von dort nach Dänemark. In Abwesenheit wurde er wegen Kollaboration zum Tod verurteilt, bald darauf jedoch begnadigt. Céline nahm seine antisemitischen Äußerungen nie zurück. Veröffentlicht wissen wollte er sie nach dem Krieg jedoch auch nicht mehr.

Ich kenne Célines Reise ans Ende der Nacht. Es ist ein wahrlich grandioser Roman. Seine antisemitischen Pamphlete habe ich mir nur in Auszügen einverleibt. Dort kann man solche Sätze lesen: »Die Juden sind rassisch betrachtet Monster, Hybriden, Wölfe, die verschwinden müssen.«

klage Serge Klarsfeld kündigte an, gegen den Verlag zu klagen, sollten diese Hasstiraden erscheinen. Er sagte, dass ihm die Vorstellung, einen Buchladen zu betreten, in dem man diese Schmutzschriften erstehen könne, unerträglich sei. Auch für mich ist die Vorstellung, eines dieser Pamphlete in einer Auslage zu sehen, schmerzhaft.

Müssen solche Texte veröffentlicht werden? Ich weiß es nicht. Céline, auf jeden Fall, hat versucht, sich nach dem Krieg »weißzuwaschen« und zum genialen und ein wenig kauzigen Misanthropen zu stilisieren, indem er gerade solche Texte totschwieg.

Die Autorin ist Schriftstellerin in Paris.

Niedersachsen

Moscheen in Hannover mit »Israel«-Schriftzügen besprüht

Unbekannte haben »Israel«-Schriftzüge auf mehrere Moscheen in Hannover geschmiert. Niedersachsens Antisemitismus-Beauftragter und die jüdische Gemeinde reagieren entsetzt

 11.12.2025

Berlin

Erstmals Chanukka-Feier im Bundestag

Zur Feier werden unter anderem der Antisemitismusbeauftragte Felix Klein und Zentralrats-Geschäftsführer Daniel Botmann erwartet

 11.12.2025

Block-Prozess

Mutmaßlicher Entführer-Chef: Aussage gegen sicheres Geleit

Hat Christina Block den Auftrag erteilt, ihre Kinder aus Dänemark zu entführen? Der mutmaßliche Chef der Entführer äußert sich dazu als Zeuge vor Gericht

 11.12.2025

Brigitte Macrons Ausfall gegen Aktivistinnen entfacht eine landesweite Debatte.

Frankreich

First Lady an Abittans Seite – und gegen Feministinnen

Brigitte Macrons Ausfall gegen Feministinnen wirft ein Schlaglicht auf Frankreichs Umgang mit Protest, sexueller Gewalt und prominenten Beschuldigten.

von Nicole Dreyfus  11.12.2025

Parteien

Justiz prüft Äußerungen nach Neugründung von AfD-Jugend 

Nach einer Rede beim AfD-Jugendtreffen prüft die Staatsanwaltschaft Gießen mögliche Straftatbestände

von Janet Ben Hassin  10.12.2025

Debatte

Merz, Trump und die Kritik an der Migration

Deutschlands Bundeskanzler reagiert auf die Vorwürfe des US-Präsidenten

von Jörg Blank  10.12.2025

Debatte

Wie umgehen mit Xavier Naidoo?

Der Sänger kehrt auf die großen Bühnen zurück. Ausverkaufte Hallen treffen auf Antisemitismus-Vorfälle, anhängige Verfahren und eine umstrittene Entschuldigung - und auf die Frage, wie man heute dazu steht

von Stefanie Järkel, Jonas-Erik Schmidt  10.12.2025

Initiative

Bayerns Landtag will Yad-Vashem-Bildungszentrum in Freistaat holen

Die Idee hatte die Ampel-Koalition von Olaf Scholz: Eine Außenstelle der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Deutschland. Der Bayerische Landtag hat sich nun für einen Standort im Freistaat ausgesprochen

von Barbara Just  10.12.2025

Paris/Brüssel

EU-Gaza-Hilfe: Französischer Politiker hat »große Bedenken«

Benjamin Haddad, Frankreichs Staatssekretär für Europafragen, hat die Europäische Kommission aufgefordert, ihre Zahlungen an NGOs, die im Gazastreifen operieren, besser zu überwachen

 10.12.2025