Einspruch

Wenn Dämme brechen

Diese Wochen sind die große Zeit des Fremdschämens. Es ist gut, dass irgendjemand dieses Wort vor ein paar Jahren mal erfunden hat. Denn tatsächlich möchte man in viele Zeitungen und noch mehr Talkshows vor lauter Scham gar nicht mehr hineinschauen, wenn es darin um Integration oder gar »den« Islam geht. Die derzeitige Debatte über diese Themen ist auf ein Niveau gesunken, das noch vor wenigen Monaten unvorstellbar war. Da kann man dem Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan J. Kramer, ruhigen Gewissens zustimmen. Er nennt diese Diskussion »unverhältnismäßig, schein- heilig und hysterisch«. Spätestens seit der gefährlichen Zündelei des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) sind offenbar alle Dämme gebrochen: Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind in Deutschland wieder salonfähig geworden.

Dönerdüfte Natürlich müssen wir über die Schattenseiten des Islam reden. Zum Beispiel über fundamentalistische Gruppen, die Judenhass offen propagieren. Selbstverständlich soll die Gesellschaft auch die nach wie vor großen Probleme und Defizite bei der Integration klar beim Namen nennen. Doch wie jetzt über andere, über vermeintlich Fremde gesprochen wird, kann nur erschrecken. Da werden Sarrazin-Kritiker bei öffentlichen Lesungen niedergebuht. Und Bundespolitiker betonen, man müsse die Ängste in der Bevölkerung ernst nehmen, wenn sich Bürger über »fremdländische« Gerüche (womöglich Dönerdüfte) vor der eigenen Haustür aufregen. Die jüdische Küche ist auch nicht für jedermanns Nase etwas. Und was ist mit Pejes tragenden Männern im schwarzen Gewand? Sind die uns auch unangenehm?

Wenn die Integrations- und Islam-Debatte auf diesem Niveau weitergeführt wird, zerstört sie das wenige, was bisher an Miteinander in unserer multireligiösen und – ungeachtet aller gegenteiligen Bekundungen – multikulturellen Gesellschaft gelungen ist. Schade, wenn’s so käme.

Der Autor ist Reporter der Tageszeitung »taz«.

Nahost

Netanjahu nach Washington abgereist - Treffen mit Trump 

Der israelische Regierungschef trifft den US-Präsidenten zum dritten Mal in sechs Monaten. Die Beziehungen sind eng. Mit Blick auf den Nahen Osten knüpfen sich an den Besuch große Erwartungen

 06.07.2025

Politik

AfD will im Bundestag »gemäßigt« auftreten

Die rechtsextreme Partei will sich im Parlament weniger krawallig präsentieren und beschließt dafür einen Verhaltenskodex

 06.07.2025

Meinung

New York: Zohran Mamdani und der Clash der Generationen

Der Bürgermeisterkandidat der Demokraten wurde nicht zuletzt wegen seiner antizionistischen Haltung gewählt. Während er unter jungen jüdischen New Yorkern Unterstützer hat, stehen die älteren überwiegend fest an Israels Seite

von Hannes Stein  06.07.2025

Meinung

Israel, Iran und das Völkerrecht

Die Präventivschläge Israels gegen das Atomprogramm der Mullahs verstießen nicht gegen das Völkerrecht, sondern waren ebenso notwendig wie angemessen

von Daniel Neumann  06.07.2025

Westjordanland

Kritik nach Angriff auf Deutsche-Welle-Mitarbeiter

Eine Korrespondentin und ein Kameramann wurden am Freitag von radikalen Siedlern mit Steinen beworfen

 06.07.2025

Interview

Antisemitismusforscher: »Seit dem 7. Oktober gibt es eine Mobilisierung gegen Juden«

Günther Jikeli über die Auswirkungen des 7. Oktober 2023 auf die deutsche Gesellschaft, israelfeindliche Proteste an Hochschulen und Defizite in der Wissensvermittlung

von Pascal Beck  06.07.2025

Nuklearprogramm

Atominspektoren der IAEA verlassen den Iran

Nach dem Krieg mit Israel setzt Teheran weiter auf Konfrontation mit der Internationalen Atomenergiebehörde

 05.07.2025

Extremismus

BSW-Chefin Wagenknecht will Brandmauer zur AfD einreißen 

Gespräche zwischen BSW und AfD? Landespolitiker in Thüringen haben es vorgemacht. Selbstverständlich sei das auch auf Bundesebene möglich, sagen beide Seiten

von Torsten Holtz  04.07.2025

Meinung

Der falsche Feind

Warum der deutsche Pazifismus blind für die Realitäten in Nahost ist – und deshalb moralisch Schiffbruch erleiden muss

von Mirna Funk  06.07.2025 Aktualisiert