Meinung

Was wir uns nicht bieten lassen

Daniel Botmann Foto: Marco Limberg

Es ist der 1. August 2014. Richard L. aus einem kleinen Ort in Bayern sieht gerade in den Fernsehnachrichten Bilder von zerstörten Häusern in Gaza, verzweifelten Menschen und weinenden Kindern. Er ist wütend. In dieser »emotional sehr aufgewühlten Stimmungslage« (so wird er es später beschreiben) muss er zur Feder greifen. Genauer: in die Tastatur.

Und jetzt muss einfach mal raus, was man ja wohl noch sagen darf: »Mörderbande!!!«, schreibt er an den Zentralrat der Juden. Denn da gehört die Empörung ja wohl hin. Und eigentlich geht ihm dieses ganze »Gedöns«, das immer um die Juden gemacht wird und um Israel und überhaupt, schon lange auf die Nerven.

radikal Die Wut treibt ihn tagelang um. Da schreibt er noch eine E-Mail an den Zentralrat, denn »ihr habt es geschafft, aus einem ehemals gegenüber Israel gemäßigt eingestellten Bürger dieses Landes einen glühenden Judenhasser zu machen«. Und dann noch eine Mail: »Ab sofort zähle ich mich zu den radikalen Antisemiten. Ich wünsche allen Juden nur noch Tod und Untergang, ihr verdammtes Dreckspack.« So, das war irgendwie erleichternd, denen einfach mal die Wahrheit zu sagen.

Einige Wochen später flattert im Briefkasten von Richard L. ein Schreiben der Staatsanwaltschaft. Der Zentralrat der Juden stellte einen Strafantrag. Meine Güte, denkt er, die sind aber empfindlich. Das war doch gar nicht so gemeint!

zähneknirschen Deshalb muss jetzt ein weiteres Schreiben raus. Er will ja schließlich richtigstellen, dass er weder Antisemit sei, noch sonst eine Abneigung gegen das jüdische Volk oder Israel hege. »Normalerweise ist es nicht meine Art, in dieser Weise auf solche Ereignisse zu reagieren. In meiner Geisteshaltung sehe ich mich als Humanisten und Philanthropen.« Er sei halt sehr betroffen gewesen, als er von dem »unsäglichen menschlichen Leid«, das dieser Krieg verursacht hatte, erfuhr. Zum Schluss distanziert sich Richard L. noch pflichtgemäß von dem Inhalt seiner Mails und entschuldigt sich zähneknirschend.

Was wie eine Satire klingt, ist genauso vorgefallen. Diesen plötzlichen Sinneswandel vom »glühenden Judenhasser« und »radikalen Antisemiten« zum Humanisten und Philanthropen kaufen wir ihm nicht ab. Nein, wir lassen uns nicht auf den Arm nehmen. Wer solches Gift verbreitet, muss auch mit den rechtlichen Konsequenzen leben.

Eines ist sicher: Am Strafantrag halten wir fest.

Der Autor ist Rechtsanwalt und Geschäftsführer des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Nahost

Netanjahu nach Washington abgereist - Treffen mit Trump 

Der israelische Regierungschef trifft den US-Präsidenten zum dritten Mal in sechs Monaten. Die Beziehungen sind eng. Mit Blick auf den Nahen Osten knüpfen sich an den Besuch große Erwartungen

 06.07.2025

Politik

AfD will im Bundestag »gemäßigt« auftreten

Die rechtsextreme Partei will sich im Parlament weniger krawallig präsentieren und beschließt dafür einen Verhaltenskodex

 06.07.2025

Meinung

New York: Zohran Mamdani und der Clash der Generationen

Der Bürgermeisterkandidat der Demokraten wurde nicht zuletzt wegen seiner antizionistischen Haltung gewählt. Während er unter jungen jüdischen New Yorkern Unterstützer hat, stehen die älteren überwiegend fest an Israels Seite

von Hannes Stein  06.07.2025

Meinung

Israel, Iran und das Völkerrecht

Die Präventivschläge Israels gegen das Atomprogramm der Mullahs verstießen nicht gegen das Völkerrecht, sondern waren ebenso notwendig wie angemessen

von Daniel Neumann  06.07.2025

Westjordanland

Kritik nach Angriff auf Deutsche-Welle-Mitarbeiter

Eine Korrespondentin und ein Kameramann wurden am Freitag von radikalen Siedlern mit Steinen beworfen

 06.07.2025

Interview

Antisemitismusforscher: »Seit dem 7. Oktober gibt es eine Mobilisierung gegen Juden«

Günther Jikeli über die Auswirkungen des 7. Oktober 2023 auf die deutsche Gesellschaft, israelfeindliche Proteste an Hochschulen und Defizite in der Wissensvermittlung

von Pascal Beck  06.07.2025

Nuklearprogramm

Atominspektoren der IAEA verlassen den Iran

Nach dem Krieg mit Israel setzt Teheran weiter auf Konfrontation mit der Internationalen Atomenergiebehörde

 05.07.2025

Extremismus

BSW-Chefin Wagenknecht will Brandmauer zur AfD einreißen 

Gespräche zwischen BSW und AfD? Landespolitiker in Thüringen haben es vorgemacht. Selbstverständlich sei das auch auf Bundesebene möglich, sagen beide Seiten

von Torsten Holtz  04.07.2025

Meinung

Der falsche Feind

Warum der deutsche Pazifismus blind für die Realitäten in Nahost ist – und deshalb moralisch Schiffbruch erleiden muss

von Mirna Funk  06.07.2025 Aktualisiert