Herr Bausback, Sie haben vorige Woche im Bundesrat einen Gesetzentwurf eingebracht, der in den Medien als »Lex Gurlitt« bezeichnet wird. Worum geht es dabei?
Ich habe den Schwabinger Bilderfund zum Anlass genommen, ein allgemeines Problem konkret anzupacken: nämlich, dass sich nach unserem Recht derjenige, der etwas zu Unrecht in Besitz hat, dem wahren Eigentümer gegenüber nach 30 Jahren auf Verjährung berufen kann – und zwar auch dann, wenn der Gegenstand dem ursprünglichen Eigentümer gegen dessen Willen weggenommen wurde, wie es im Zusammenhang mit Verfolgung und Vertreibung durch den nationalsozialistischen Terror der Fall war. Der Anspruch verjährt auch dann, wenn der jetzige Besitzer weiß oder wenigstens konkrete Anhaltspunkte für all das hatte. Das halte ich für unerträglich. Hier geht es auch um die Verantwortung Deutschlands für die Aufarbeitung der Gräueltaten des nationalsozialistischen Unrechtsregimes.
Welchen gesetzgeberischen Weg wird der Entwurf gehen?
Ich habe den Entwurf letzten Freitag im Bundesrat vorgestellt. Dort wird er jetzt in den Ausschüssen behandelt. Und ich werde dafür kämpfen, dass er anschließend in den Bundestag eingebracht wird.
Wann könnte er Gesetzeskraft erlangen?
Wenn es nach mir geht: so schnell wie möglich. Ich meine, dieser Vorschlag sollte in einem Land, das die Washingtoner Erklärung unterschrieben hat, konsensfähig sein. Und die Opfer können nicht warten.
Opfervertreter monieren, dass sie den derzeitigen Besitzern Bösgläubigkeit beim Erwerb nachweisen müssen. Wie soll ein solcher Nachweis zu erbringen sein?
Ganz klar, dieser Nachweis ist nicht einfach. Aber ich fürchte, wir können darauf nicht ganz verzichten, wenn das Gesetz vor der Verfassung Bestand haben soll. Und der Beweis ist möglich. Es reicht ja schon der Nachweis, dass der Besitzer hätte wissen müssen, dass es sich um Raubkunst handelt, also konkrete Anhaltspunkte dafür hatte.
Auf der anderen Seite wird kritisiert, eine Aufhebung der Verjährung verletze das Rückwirkungsverbot. Besteht nicht die Gefahr, dass Ihr Gesetz bei erster Gelegenheit vom Verfassungsgericht kassiert wird?
Gerade um verfassungsrechtliche Risiken zu vermeiden, müssen wir den Ausschluss der Verjährung auf Bösgläubige beschränken. Denn die verdienen nicht den Vertrauensschutz unserer Verfassung. Außerdem schaffen wir nicht rückwirkend die Verjährung ab. Wir verbieten dem Bösgläubigen, sich in der Zukunft darauf zu berufen. Und schließlich muss das Rückwirkungsverbot bei übergeordneten Gründen des Gemeinwohls zurücktreten. Und da gilt doch wohl: Die Wiedergutmachung von nationalsozialistischem Unrecht ist ohne Zweifel ein solcher übergeordneter Grund. Ich sage: Wenn mein Gesetzentwurf den einen nicht weit genug geht und den anderen zu weit, dann spricht doch einiges dafür, dass ich genau richtig liege.
Mit dem bayerischen Justizminister sprach Michael Wuliger.