Social Media

Urteil gegen Ursula Haverbeck aufgehoben?

Ursula Haverbeck (Archiv) Foto: dpa

Weil Ursula Haverbeck die systematischen Morde an Juden in der NS-Zeit leugnet, musste sie sich wegen Volksverhetzung vor Gericht verteidigen. Dort wurde sie zu einer Haftstrafe verurteilt. Bei Facebook wird nun aber behauptet, es sei »ein guter Tag für die Meinungsfreiheit und in Persona, für Ursula Haverbeck«, denn Haverbeck habe das Urteil erfolgreich anfechten können und müsse nicht ins Gefängnis. Stimmt das?

Bewertung

Haverbeck befindet sich aktuell zwar noch nicht in Haft, allerdings ist das Urteil zur Gefängnisstrafe rechtskräftig. Sie konnte es nicht anfechten.

Fakten

Im Jahr 2022 befasste sich das Landgericht Berlin mit der notorischen Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck. Am 01. April verhängte das Gericht gegen die damals 93-Jährige eine Gefängnisstrafe von einem Jahr und verwarf Berufungen der Angeklagten gegen zwei Urteile wegen Volksverhetzung.

Haverbeck hatte Berufung gegen Entscheidungen des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten eingelegt. 2017 erging eine Gefängnisstrafe von sechs Monaten, weil sie auf einer Veranstaltung nach Feststellung der Richter gesagt hatte, dass es den Holocaust nicht gegeben habe. Ende 2020 erging ein Jahr Haft, weil sie laut Urteil in einem Interview den Holocaust geleugnet hatte. Das Landgericht bestätigte beide Urteile.

Dieses Urteil sei weiterhin rechtskräftig, bestätigt Christina von Bothmer auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Die Vorsitzende Richterin am Landgericht und stellvertretende Sprecherin der Berliner Strafgerichte verweist darauf, dass das Urteil sogar bereits seit dem 28. Juli 2022 gültig ist. An diesem Tag wurde die Revision von Haverbeck verworfen, wie Medien einstimmig berichten.

Mit einer Revision kann man gegen ein ergangenes Urteil vorgehen. Hat die Revision wie im Fall Haverbeck keinen Erfolg, gibt es danach keine weiteren Möglichkeiten mehr, das Urteil anzufechten. Es könnte höchstens das gesamte Verfahren wieder neu aufgerollt werden.

Laut Generalstaatsanwaltschaft Berlin erfolgte am 4. Oktober 2022 die Ladung von Frau Haverbeck zum Haftantritt in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bielefeld Senne. Karen Sommer, Staatsanwältin und Pressesprecherin schildert die weiteren Ereignisse auf dpa-Anfrage so: »Der Strafantritt ist jedoch noch nicht erfolgt. Zwar wurde seitens der Staatsanwaltschaft Berlin unter Berufung auf den Amtsarzt der JVA die Haftfähigkeit von Frau Haverbeck bejaht, doch wurde dagegen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt.« Das deckt sich mit der Aussage von Christina von Bothmer vom Landgericht Berlin, die ebenfalls von einem eingegangenen Antrag in der Folgezeit spricht.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung erfolgt gemäß Paragraph 458 der Strafprozessordnung (StPO). Wenn beispielsweise Einwendungen gegen die Strafvollstreckung erhoben werden, kann ein Gericht die betreffende Maßnahme auf ihre rechtliche Zulässigkeit überprüfen.

Das Landgericht habe dieses Schreiben jedoch als Antrag auf eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausgelegt. Der vermeintliche Wiederaufnahmeantrag wurde im Anschluss schnell verworfen. Dagegen legte Haverbeck Beschwerde ein. Dass Kammergericht - das höchste Berliner Gericht - habe dann laut von Bothmer entschieden, »dass es sich nicht um einen Antrag auf Wiederaufnahme, sondern einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 458 StPO handelt. Es hat daher die Entscheidung des Landgerichts aufgehoben.«

Nun muss Haverbecks Ursprungs-Schreiben erneut geprüft werden. Damit befasse sich das Amtsgericht Tiergarten. Auch Sommer von der Generalstaatsanwaltschaft Berlin bestätigt: »Vom Amtsgericht Tiergarten wird nunmehr die Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens geprüft.« Daher befindet sich die Rentnerin derzeit noch nicht in Haft, auch kann kein exakter Zeitpunkt für den Haftantritt genannt werden. Richterin von Bothmer betont aber: »Der Bestand und die Rechtskraft des Urteils vom 1. April 2022 sind hiervon unberührt.« dpa

(Stand: 27.01.2023)

Links

Vorwürfe gegen Haverbeck (archiviert)

Facebook-Post (archiviert)

Pressemitteilung zur Verurteilung (archiviert)

Urteil 2017 (archiviert)

Urteil 2020 (archiviert)

Revision Haverbeck (archiviert)

Revision - Definition (archiviert)

Reihenfolge Gerichte Berlin (archiviert)

Strafprozessordnung (archiviert)

Faktencheck AFP (archiviert)

Berlin/Jerusalem/Tel Aviv

60 Jahre diplomatische Beziehungen: Deutsch-israelischer Buchmesse-Pavillion abgesagt

Regierungsbeamte in Israel sind enttäuscht. Die Bundesregierung sieht die Sache anders

 12.12.2024

Meinung

Wenn Social Media zur Gefahr für die Demokratie wird

Politik und Plattformbetreiber müssen konsequent gegen Desinformation und Hetze vorgehen

von Anna Staroselski  12.12.2024

Berlin

Roth: Israelische Angriffe auf syrische Waffenlager verständlich

Israels Luftwaffe bombardiert seit dem Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad massiv militärische Einrichtungen in Syrien. Der SPD-Politiker zeigt dafür zum Teil Verständnis

 12.12.2024

Nach Eklat

Vatikan entfernt Jesus-Kind mit Keffiyeh

Nach tagelanger Kritik hat die katholische Kirche nun reagiert, auch wenn sie sich öffentlich nicht äußert

von Nils Kottmann  12.12.2024

Baden-Württemberg

Nach antisemitischen Anfeindungen: Innenminister will Pfarrer schützen

Ein evangelischer Pastor in Langenau bei Ulm wird seit Monaten wegen seiner Kritik an den Hamas-Massakern angefeindet

 12.12.2024

Berlin

Was die Bundesregierung gegen Antisemitismus tun will

Mehr Beauftragte, mehr Programme - und trotzdem mehr Judenhass. Der neue Bericht der Bundesregierung zeigt Fortschritte und Lücken bei der Bekämpfung von Antisemitismus auf. Eine Bilanz der vergangenen vier Jahre

 12.12.2024

Leitartikel

Islamisten als Befreier?

Nach dem Sturz der blutigen Assad-Diktatur atmet die Welt auf. Was die Umwälzungen für den Nahen Osten bedeuten – und für Israels Sicherheit

von Peter R. Neumann  12.12.2024

Europa

Kniefall in Warschau - Söder gedenkt Polens Kriegsopfern

In Warschau legt Markus Söder einen Opferkranz nieder und kündigt polnische Hinweisschilder für Bayerns Gedenkstätten an. Im Gespräch mit dem Regierungschef geht es um einen aktuellen Krieg

 11.12.2024

Meinung

Syrien: Warum machen wir immer wieder den gleichen Fehler?

Der Westen sollte keinem Mann vertrauen, der bislang als Terrorist gesucht wurde

von Jacques Abramowicz  11.12.2024