Hannover

»Unsägliche Allianz«

Der niedersächsische Landtag Foto: dpa

Nach dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat auch die Europäische Rabbinerkonferenz (CER) das von der niedersächsischen CDU geforderte Verbot des Schächtens scharf kritisiert. Der Vorschlag sei »alles andere als koscher«, sagte CER-Generalsekretär Gady Gronich am Freitagabend in München.

Die CDU führe »hier eine scheinheilige Debatte, die einen winzigen Prozentsatz an Tieren betrifft, die in Deutschland nach religiösen Regeln geschlachtet werden, ignoriert aber im gleichen Zuge die industrielle Massentierhaltung und das Schreddern von Millionen von Küken im eigenen Land«, so Gronich weiter.

opferfest Am Mittwoch hatte die CDU-Fraktion im Landtag von Hannover beschlossen, das Schächten ganz untersagen zu wollen. Auch bei rituellen Schlachtungen aus religiösen Gründen dürfe das Tierwohl nicht in den Hintergrund treten, sagte der Fraktionsvorsitzende Dirk Toepffer. Anlass war das zu Ende gegangene islamische Opferfest. Dafür besaß ein Schlachtbetrieb in Niedersachsen eine Ausnahmegenehmigung zum Schächten von höchstens 200 Schafen.

Gronich sprach von einem »Affront« gegen die in Deutschland lebenden Religionsgemeinschaften, der die bislang garantierte Religionsfreiheit torpediere. »Religiöses Schlachten ist in der gesamten EU stark reguliert und wird durch eine Vielzahl wissenschaftlicher Erkenntnisse gestützt, die zugunsten des Tierwohls sprechen.«

Zentralratspräsident Josef Schuster hatte sich zuvor am Donnerstag in einem Schreiben an die Mitglieder der niedersächsischen CDU-Landtagsfraktion gewandt, die sich für ein Verbot des betäubungslosen Schächtens ausgesprochen hatten. Schuster richtete an die Fraktionsmitglieder den Appell, den Beschluss rückgängig zu machen und »sich für die weitere Möglichkeit der Durchführung des betäubungslosen religiösen Schlachtens im Sinne einer grundgesetzlich gewährleisteten ungestörten Religionsausübung einzusetzen«.

Gemeinschaft Er habe »mit großer Beunruhigung« vernommen, dass der Beschluss gefasst worden sei. »Obwohl das Verbot im Hinblick auf das muslimische Opferfest gefordert wird, trifft es die jüdische Gemeinschaft im Besonderen, da im Judentum der Verzehr nicht geschächteter Tiere verboten ist«, so Schuster.

Tierwohl und Tierschutz seien Bestandteile der jüdischen Ethik, die jüdische Schlachtmethode gewährleiste, dass die Tiere bei der Tötung von jedem vermeidbaren Schmerz, Stress und Leiden verschont werden.

Der Vorstoß der Fraktion stehe in »krassem Widerspruch« zu Äußerungen der CDU-Bundesvorsitzenden Annegret Kamp-Karrenbauer, die noch vor wenigen Wochen betonte, dass jüdisches Leben zu Deutschland gehöre.

Zudem verweist Schuster darauf, dass die niedersächsische AfD im Frühjahr vergangenen Jahres gefordert habe, keine Ausnahmegenehmigungen für das Schächten mehr zu erteilen. »Diese unsägliche Allianz infolge Ihres Fraktionsbeschlusses ist Ihnen hoffentlich bewusst«, so der Zentralratspräsident.

Erklärung Die niedersächsische Landtagsfraktion hatte in einer am Mittwoch verbreiteten Erklärung darüber informiert, dass einstimmig beschlossen wurde, gegen das betäubungslose Schächten vorzugehen und das Landwirtschaftsministerium zu bitten, ein Verbot des betäubungslosen Schächtens in die Wege zu leiten.

Der Fraktionsvorsitzende Dirk Toepffer erklärte dazu: »Das Wohl unserer Mitgeschöpfe liegt uns am Herzen. Auch bei rituellen Schlachtungen aus religiösen Gründen darf das Tierwohl nicht in den Hintergrund treten.« Daher wolle die CDU-Landtagsfraktion, dass zukünftig das Schächten von Tieren nur noch erlaubt ist, wenn diese vorher betäubt wurden. Er sehe keine Notwendigkeit, Tiere aus religiösen Gründen weiter leiden zu lassen, so Toepffer.

Tierschutz Unterdessen hat auch der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, das rituelle Schlachten von Tieren in Islam und Judentum verteidigt.

»Die bislang geltende Regelung nach dem Tierschutzgesetz, die das Schächten in Ausnahmefällen und unter strengen Voraussetzungen erlaubt, stellt einen vernünftigen Ausgleich zwischen Belangen des Tierschutzes und der Religionsfreiheit dar«, sagte Klein am Donnerstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Diese Regelung habe auch das Bundesverfassungsgericht bestätigt.

Der Antisemitismusbeauftragte Klein betonte: »Das Schächten gehört zum jüdischen und muslimischen Ritus. Ein solches Verbot wäre ein Angriff auf die jüdische und islamische Religion und konterkarierte die Bemühungen um den Schutz jüdischen Lebens in Deutschland.«

Klein forderte die Christdemokraten in Niedersachsen »im Sinne des Schutzes kultureller und religiöser Vielfalt in Deutschland« auf, die Debatte nicht fortzusetzen.  ja/kna

Kommentar

Antisemitismus: Was ist da los in Berlin?

Die judenfeindlichen Straftaten sind rückläufig. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte: Ein Bundesland sticht negativ hervor

von Michael Thaidigsmann  09.02.2025

München

Ludwigs-Maximilian-Universität verweigert Francesca Albanese Hörsaal

Ein Vortrag der umstrittenen UN-Sonderberichterstatterin für die Palästinensergebiete an der Münchner Universität wurde abgesagt

von Michael Thaidigsmann  09.02.2025 Aktualisiert

Berlin

Israelfeindliche Aktivisten bei Wahlkampfveranstaltung von Robert Habeck

Die Störer warfen Israel einen Genozid an den Palästinensern im Gazastreifen vor

 09.02.2025

Debatte

»Wir würden unser Land verraten«: Merz sagt einmal mehr Nein zur AfD

CDU und CSU im Bundestag hatten jüngst zur Durchsetzung ihrer Vorschläge zur Migrationspolitik eine Mehrheit mit Hilfe der AfD in Kauf genommen

 08.02.2025

Ostfriesland

Albrecht Weinberg demonstriert mit Hunderten in Leer

Der Schoa-Überlebende ging gegen Rechtsextremismus und für Demokratie auf die Straße

 08.02.2025

Bildung

Wissenschaftsfreiheit und Antisemitismus

Die Bundestagsresolution gegen Judenhass an Hochschulen und die Verantwortung der Universitäten. Ein Gastkommentar von Frederek Musall

von Frederek Musall  07.02.2025

Reaktionen

»Ist die Idee wirklich so schlecht?« - »Verstörend und grotesk«

Eine Presseschau zu US-Präsident Donald Trumps Plan, den Gaza-Streifen in eine »Riviera des Nahen Ostens« zu verwandeln

 07.02.2025

Terror

Irans Stellvertreter bedrohen Juden in Schweden

Sowohl oppositionelle Iraner als auch Juden sind in Gefahr. Die Bedrohung kommt von Teherans Islamischer Revolutionsgarde

 07.02.2025

Washington D.C./Den Haag

Trump ordnet Sanktionen gegen Internationalen Strafgerichtshof an

Es ist nicht das erste Mal, dass der US-Präsident gegen den Internationalen Strafgerichtshof vorgeht. Der Republikaner wirft dem Gericht mit Blick auf den Haftbefehl gegen Netanjahu Machtmissbrauch vor

 07.02.2025