Meinung

Ukraine: Kein Ort für Juden

Opa schüttelt den Kopf. »In der Ukraine herrscht Chaos«, murmelt er, während Bilder vom Kiewer Maidan im russischen Fernsehen gezeigt werden. Auch nachdem meine Großeltern vor 20 Jahren aus dem westukrainischen Iwano-Frankiwsk weggegangen sind, verfolgen sie die Ereignisse in der Ukraine genau. So gut wie alle ihre jüdischen Bekannten und Verwandten sind damals emigriert. Und trotz gelegentlicher Nostalgiebekundungen scheinen sich alle in zwei Punkten einig: Die Ukraine ist kein Ort für Juden, und: Sie wollten nie zurück.

freiheit Besonders die Swoboda-Partei – zu Deutsch: Freiheit – besorgt meinen Opa. Sie demonstriert mit den anderen Oppositionsgruppen an vorderster Front und gibt sich als Stimme des ukrainischen Volkes. Zuspruch ist ihr sicher: 2012 zog sie mit knapp zehn Prozent der Stimmen erstmals in das ukrainische Parlament ein.

Unter »Freiheit« versteht die rechtsextreme Bewegung die Unabhängigkeit von Russland, von der EU und von »jüdischem Einfluss«, wie es bereits ihr Held Stepan Bandera im Zweiten Weltkrieg beschwor. Die Nationalisten verehren Bandera für seinen Widerstand gegen alle, die dem ukrainischen Wesen vermeintlich schädlich gewesen seien: Russen, Polen und Juden. Dafür kollaborierten Bandera und seine Bewegung auch mit den Nazis. Sie waren verantwortlich für Pogrome und Tausende ermordeter Juden – teils auf Befehl der Deutschen, teils aus eigenem Antrieb.

generationen Doch Swoboda ist nicht überall in der Ukraine gleich stark. Durch das Land geht ein tiefer Riss zwischen Ost, traditionell eher russisch geprägt, und West, wo der Nationalismus besonders stark ist – und wo man Bandera mit Straßennamen und Denkmälern ehrt.

Meine Generation verbindet nur wenig mit der Heimat unserer Familien. Wir registrieren die Ereignisse und sprechen mit unseren Eltern und Großeltern darüber. Es ist beinahe unmöglich, aus der Ukraine ausgewanderte Juden zu treffen, die dort keinen Antisemitismus erlebt haben – und die der gegenwärtige Aufstieg der Nationalisten und Antisemiten ernsthaft verwundert.

»Hoffentlich kommt es nicht zu einem Bürgerkrieg wie in Jugoslawien«, sagt mein Opa besorgt. Dass in seiner früheren Heimat noch Juden freiwillig leben können, ist den Zuwanderern nur schwer begreiflich. Mehr denn je sind sie überzeugt: Die Ukraine ist kein Ort für Juden.

Der Autor studiert Sozialwissenschaft in Düsseldorf.

Diplomatie

Kasachstan will sich den Abraham-Abkommen anschließen

US-Präsident Donald Trump kündigte den Schritt wenige Tage vor dem Besuch des saudischen Kronprinzen im Weißen Haus. Auch Saudi-Arabien solle seine Beziehungen zu Israel normalisieren, so die Hoffnung des US-Präsidenten

 07.11.2025

Antiisraelischer Beschluss

Linken-Spitze distanziert sich von Parteijugend

Die Linksjugend Solid wirft Israel unter anderem einen »kolonialen und rassistischen Charakter« vor – und löst in der Partei Empörung aus

 06.11.2025

Urteil

Betätigungsverbot für israelfeindlichen Aktivisten war rechtswidrig

Ghassan Abu-Sittah, der der israelischen Armee vorwirft, vorsätzlich Kinder zu töten, hätte auf dem »Palästina-Kongress« sprechen dürfen

 06.11.2025

Terrorismus

Nach Hamas-Festnahme: Waffenfund in Österreich

Der österreichische Verfassungsschutz stellte fünf Faustfeuerwaffen und zehn Magazine sicher

 06.11.2025

Hessen

Mutmaßlicher Hakenkreuz-Schmierer von Hanau gefasst

Bei dem Tatverdächtigen handelt es sich um einen offenbar psychisch-kranken Mann. Das Motiv für die Tat soll im persönlichen Umfeld des 31-Jährigen gelegen haben

 06.11.2025

Gedenken

Neues Denkmal für jüdische Häftlinge in Gedenkstätte Ravensbrück

Etwa 20.000 Jüdinnen und Juden sind im ehemaligen Konzentrationslager Ravensbrück in Brandenburg inhaftiert gewesen. Die heutige Gedenkstätte hat nun ein neues Denkmal enthüllt - im Beisein von Überlebenden

von Daniel Zander  06.11.2025

Kommentar

Warum Zürichs Entscheid gegen die Aufnahme von Kindern aus Gaza richtig ist

Der Beschluss ist nicht Ausdruck mangelnder Menschlichkeit, sondern das Ergebnis einer wohl überlegten Abwägung zwischen Sicherheit, Wirksamkeit und Verantwortung

von Nicole Dreyfus  06.11.2025

Ehrung

»Wir Nichtjuden sind in der Pflicht«

Am Mittwochabend wurde Karoline Preisler mit dem Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland ausgezeichnet. Wir dokumentieren ihre Dankesrede

 06.11.2025 Aktualisiert

Medien

So erzeugt man einen gefährlichen Spin

Wie das Medienunternehmen »Correctiv« den Versuch unternimmt, die Arbeit des israelischen Psychologen Ahmad Mansour fragwürdig erscheinen zu lassen

von Susanne Schröter  06.11.2025