Berlin

»Tagesspiegel« nimmt umstrittene Kolumne aus dem Netz

Tagesspiegel-Autor Harald Martenstein Foto: imago/Horst Rudel

Der Berliner »Tagesspiegel« hat am Dienstag einen Text seines Star-Kolumnisten Harald Martenstein gelöscht. Der Autor hatte darin die These aufgestellt, das Tragen von sogenannten »Judensternen« bei Demonstrationen gegen die Corona-Politik sei »sicher nicht antisemitisch« zu werten, obgleich darin eine Verharmlosung des Massenmordes der Nazis an den Juden enthalten sei.

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INTERPRETATIONEN Vielmehr identifizierten sich die Impfgegner damit mit den Opfern der NS-Herrschaft, schrieb Martenstein. Das sei für Überlebende des Holocaust zwar nur »schwer auszuhalten«, könne aber dennoch nicht als judenfeindlich interpretiert werden.

Die am 6. Februar veröffentlichte Kolumne sei nicht nur bei der Leserschaft und selbst innerhalb der Tagesspiegel-Redaktion auf scharfen Widerspruch gestoßen, teilte die Chefredaktion nun mit. Nach Gesprächen mit dem Verfasser des Textes sowie mit Redaktionsmitgliedern und Wissenschaftlern sei man zu dem Schluss gekommen, dass man die Kolumne nicht hätte veröffentlichen sollen, »wir haben sie deshalb zurückgezogen«.

Zudem werde man die »redaktionellen Abläufe sowie unsere Qualitätskontrolle und unser Selbstverständnis« einer Überprüfung unterziehen, so die Chefredakteure weiter. Ein breites Spektrum an Meinungen abzubilden sei aber weiter Anliegen des »Tagesspiegels«.

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»Wir trennen deutlich zwischen Vermutungen und recherchierten Erkenntnissen. Wenn ein ernsthafter wissenschaftlicher Dissens besteht oder eine wissenschaftliche Minderheitsmeinung vertreten wird, machen wir das deutlich und ordnen es nachvollziehbar ein. Grundlage unserer Texte sind immer die Recherche, die Erkenntnis und das Argument«, erklärte die Chefredaktion.

KRITERIEN »Nicht alles, was rechtlich betrachtet gesagt werden darf, ist dem Ton des Tagesspiegels angemessen. Scharf dürfen Glossen, Kolumnen und Kommentare sein; persönlich verletzen sollten sie nicht. Wir nutzen Ironie, aber wir vermeiden Zynismus. Wir verzichten auf Provokationen um der Provokation Willen und vermeiden Graubereiche, die zu Missverständnissen einladen oder verleiten. Wir orientieren uns an Rationalität mehr als an Emotionalität und bleiben menschlich respektvoll«, so die Erklärung weiter.

Alle Texte, die im »Tagesspiegel« veröffentlicht würden, müssten künftig diesen Kriterien gerecht werden. Die Tageszeitung hat eine verkaufte Auflage von rund 110.000 Exemplaren. mth

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