Terrorismus

Tag der Erinnerung - und der Kritik

Pressekonferenz des Solidaritätsnetzwerks von Angehörigen, Betroffenen und Überlebenden rechter, rassistischer und antisemitischer Morde und Gewalt

Terrorismus

Tag der Erinnerung - und der Kritik

Die Bundesregierung gedachte der Opfer terroristischer Gewalt, doch nicht alle Betroffenen wurden gehört

von Pascal Beck  12.03.2024 17:03 Uhr

Zum dritten Mal gedachte die Bundesregierung am 11. März der Opfer terroristischer Gewalt. Diese müssten in »unserer Erinnerung bleiben«, so Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). »Ihnen muss unsere Aufmerksamkeit gelten.« Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) ergänzte, die Gedanken seien an diesem Tag gleichsam »bei denjenigen, die heute nicht mehr unter uns sind« wie auch »bei denjenigen, die zurückbleiben«. Letztere wolle man »nicht alleine lassen in ihrem Schmerz«, man müsse sich zudem »ihrer Kritik stellen«. Kritik gibt es - von Überlebenden und Angehörigen.

Wenige Stunden zuvor fand in Berlin eine Pressekonferenz des »Solidaritätsnetzwerks von Angehörigen, Betroffenen und Überlebenden rechter, rassistischer und antisemitischer Morde und Gewalt« statt.

Enttäuschung über die leeren Worte der Bundesregierung

Seit zwei Jahren unterstützen sich Betroffene rechtsextremer Terrorangriffe aus ganz Deutschland gegenseitig. Nachdem ein offener Brief im vergangenen Jahr unbeantwortet geblieben war, traten sie nun erstmals an die Öffentlichkeit und erzählten ihre Geschichte.
Der Grund: Enttäuschung über die leeren Worte der Bundesregierung.

Denn die meisten von ihnen wurden zur Gedenkfeier nicht eingeladen. »Wenn ich nicht eingeladen werde, bedeutet das, dass sie nichts von mir hören wollen«, so Aynur Satır, Überlebende des Brandanschlags in Duisburg 1984. Bis heute kämpft sie darum, dass die Tat als rassistisch motiviert anerkannt wird. Wie schon damals wolle man heute wieder nicht mit ihr reden.

Das Gedenken am 11. März allerdings müsse allen Betroffenen gelten, betonte Mamadou Saliou Diallo, Bruder von Oury Jalloh, der 2005 in einer Dessauer Polizeizelle verbrannte. Zwar handele es sich um verschiedene Fälle. Der Schmerz sei bei allen jedoch derselbe. »Wir lassen uns nicht spalten«, war an diesem Tag immer wieder zu hören.

Auch Naomi Henkel-Guembel, Überlebende des antisemitischen und rassistischen Anschlags auf die Synagoge in Halle 2019, erinnerte an »alle 235 Opfer rechtsextremer Gewalt seit der Wiedervereinigung«. Staatlich anerkannt sind 113 Todesopfer. Die Diskrepanz zeigt: die Bundesregierung erkennt nicht alle Taten als eindeutig rechtsextrem motiviert an; für die Betroffenen ein Schlag ins Gesicht. Zusätzlich zum Verlust geliebter Menschen müssen sie um Anerkennung ihrer Situation kämpfen. Daran zeige sich, »wie essentiell unser Zusammenhalt ist«, betonte Henkel-Guembel.

Bundesregierung erkennt nicht alle Taten als eindeutig rechtsextrem an

Auch İsmet Tekin überlebte das Attentat in Halle. Er arbeitete im »Kiez Döner«, in dem Kevin Schwarze ermordet wurde. Er ist wütend darüber, dass die Betroffenen selbst für die Anerkennung ihres Leids kämpfen müssen. Viele hätten keine Kraft, die traumatischen Erfahrung immer wieder zu durchleben. Auch bei den Anwesenden zeigten sich die Mühen der Überwindung.

Melek Bektaş, Mutter des 2012 in Berlin-Neukölln ermordeten Burak Bektaş, musste ihr Statement abbrechen; zu schmerzvoll ist die Erinnerung noch immer. Auch Yasemin Kılıç sagte, sie müsse immer wieder das Trauma, das sie durch die Ermordung ihres Sohnes erlitten hat, beweisen. Ihr Sohn, Selcuk Kılıç, war eines der Opfer des Attentats im Münchener Olympia-Einkaufszentrum 2016. Die Forderungen des Netzwerks scheinen simpel: Transparenz, Aufklärung, Gerechtigkeit.

»Wenn wir sie bitten, uns zuzuhören, dann meinen wir das so«, kritisierte Talya Feldman, eine weitere Überlebende von Halle. Der Gedenktag ist für sie ein leeres Ritual: »Ein Gedenken, das die Kontinuitäten der Gewalt, die wir erleben und die uns umbringt, nicht beendet, ist kein Gedenken.« Es sei lediglich ein Symbol dafür, wie sich das politische System weiterhin abwende, »während es sich selbst dazu beglückwünscht, am 11. März ein paar Sekunden in Schweigen innezuhalten«.

Für sie, die Betroffenen aber, gehe es »um ein ganzes Leben und um verlorene Leben.« Insofern sei es unerlässlich, allen Betroffenen zuzuhören. Doch: »So oft stoßen wir auf verschlossene Ohren und geschlossene Augen.«

Australien

Polizei: Angreifer in Sydney waren Vater und Sohn 

Weitere Details des judenfeindlichen Terroranschlags werden bekannt

von Denise Sternberg  14.12.2025

Hintergrund

Der Held von Sydney

Laut australischen Medien handelt es sich um einen 43-jährigen muslimischen Vater von zwei Kindern, der einen Laden für lokale Produkte betreibt

 14.12.2025

Jerusalem

Israels Regierungschef wirft Australien Tatenlosigkeit gegen Judenhass vor

Nach einem Anschlag in Sydney fordert Netanjahu von Australien entschlosseneres Handeln gegen Judenhass. Er macht der Regierung einen schweren Vorwurf

 14.12.2025

Kommentar

Müssen immer erst Juden sterben?

Der Anschlag von Sydney sollte auch für Deutschland ein Weckruf sein. Wer weiter zulässt, dass auf Straßen und Plätzen zur globalen Intifada aufgerufen wird, sollte sich nicht wundern, wenn der Terror auch zu uns kommt

von Michael Thaidigsmann  14.12.2025

Meinung

Blut statt Licht

Das Abwarten, Abwiegeln, das Aber, mit dem die westlichen Gesellschaften auf den rasenden Antisemitismus reagieren, machen das nächste Massaker nur zu einer Frage der Zeit. Nun war es also wieder so weit

von Sophie Albers Ben Chamo  14.12.2025 Aktualisiert

Anschlag in Sydney

Felix Klein: »Von Terror und Hass nicht einschüchtern lassen«

Zwei Männer töten und verletzen in Sydney zahlreiche Teilnehmer einer Chanukka-Feier. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung äußert sich zu der Tat

 14.12.2025

Terror in Sydney

Zivilist entwaffnet Angreifer und wird als »Held« gefeiert

Zwei Männer schießen auf Teilnehmer einer Chanukka-Feier in Sydney: Es gibt Tote und Verletzte. Ein Video soll nun den mutigen Einsatz eines Passanten zeigen

 14.12.2025

Australien

Merz: »Angriff auf unsere gemeinsamen Werte«

Bei einem Anschlag auf eine Chanukka-Feier in der australischen Metropole gab es viele Tote und Verletzte. Der Bundeskanzler und die Minister Wadephul und Prien äußern sich zu der Tat

 14.12.2025 Aktualisiert

Terror in Sydney

Zentralrat der Juden: »In Gedanken bei den Betroffenen«

Der Zentralrat der Juden und weitere jüdische Organisationen aus Deutschland äußern sich zu dem Anschlag auf eine Chanukka-Feier im australischen Sydney

 14.12.2025 Aktualisiert