Der Bayreuther Stadtrat will die Planungen für ein NS-Dokumentationszentrum vorantreiben. Das beschloss das Gremium einstimmig am Mittwoch in seiner Sitzung, wie ein Sprecher mitteilte.
Laut dem Beschluss soll ein Kuratorium einbezogen werden, um eine inhaltliche Konzeption zu erstellen - dabei sein sollen externe Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft und von anderen Doku-Zentren. »Dazu sind die notwendigen Schritte zu erlassen«, heißt es in dem Beschluss.
Zuletzt hatte es Verzögerungen gegeben, weil Mitglieder des Kulturausschusses im April Bedenken angemeldet hatten. Unter anderem ging es um die Kosten für das Projekt und die Befürchtungen, das Zentrum könne eine Pilgerstätte für Rechtsextremisten und Rassisten werden.
Dunstkreis der Festspiele
Schließlich sollte den Planungen zufolge ein wesentlicher Teil des Dokumentationszentrums im früheren Wohnhaus von Houston Stewart Chamberlain (1855-1927), Schwiegersohn Richard Wagners und Vordenker von Rassismus und Antisemitismus im Dunstkreis der Festspiele, untergebracht werden. Ob das Zentrum nun tatsächlich im Chamberlain-Haus entsteht, ließ der Stadtrat zunächst offen. Bauliche Fragen sollen später geklärt werden.
Eine Berechnung aus dem Jahr 2022 ergab Kosten von 23,1 Millionen Euro für das Projekt. Es stehe eine umfängliche staatliche Förderung in Aussicht, unter anderem seitens des Bundes, hatte die Kommune stets betont.
In den vergangenen Wochen war in der Stadt eine heftige Debatte um das Thema entbrannt: Braucht es zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit ein eigenes Dokuzentrum oder könnten bestehende Institutionen das leisten?
Aufarbeitung der Geschichte
Der Richard-Wagner-Verband Bayreuth begrüßte die Idee des Dokumentationszentrums. Eine gründliche und vor allem wissenschaftlich kompetente Aufarbeitung der Bayreuther Geschichte nütze allen - Bewohnerinnen und Bewohnern ebenso wie den Festspielgästen aus aller Welt, teilte der Verband mit.
Noch immer seien viele Fragen und Aspekte zu Leben und Werk Wagners offen, ebenso Fragen zur Rolle der Familie Wagner und Fragen zur Vereinnahmung der Festspiele durch das nationalsozialistische Unrechtsregime. »Diesen Fragen müssen wir uns stellen. Je transparenter und kompetenter die Antworten auf diese Fragen ausfallen, desto besser.«
Wagner-Fan Hitler
Rund um die Bayreuther Festspiele hatte sich Anfang des 20. Jahrhunderts ein Gerüst aus Rassismus, Antisemitismus und völkischer Ideologie gebildet, das die Nationalsozialisten sich zunutze machten. Adolf Hitler war glühender Verehrer der Werke Richard Wagners und oft in Bayreuth zu Gast - als Freund der Wagner-Familie.
Große und bekannte NS-Dokumentationszentren gibt es bereits an bayerischen Orten, die für die Geschichte des Nationalsozialismus von Bedeutung sind: auf dem Obersalzberg in Berchtesgaden, in München und in Nürnberg auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände. dpa