Holocaust

Spediteur des Todes

Adolf Eichmann Foto: JA

Holocaust

Spediteur des Todes

Eichmanns Rolle im Vernichtungsapparat

von Norbert Kampe  05.04.2011 09:18 Uhr

Während Adolf Eichmann auf die Revision wartete, verbrachte er die Zeit in seiner Jerusalemer Zelle auch damit, seine Erinnerungen niederzuschreiben. Darin stellte er sich als ein kleines, ohnmächtiges Rädchen innerhalb der NS-Bürokratie dar: sowohl durch Fahneneid und Gehorsamspflicht gebunden als auch durch Drohungen seitens Vorgesetzter zu den europaweiten Deportationen gezwungen.

stolz Vor seiner Entführung aus Argentinien war Eichmann allerdings davon überzeugt, eine wichtige historische Persönlichkeit zu sein. Vielleicht war er inzwischen der Einzige, der Entscheidungen und Vorgänge genau kannte, die zur Deportation und Ermordung der europäischen Juden geführt hatten.

Dieser Stolz hatte ihn dazu verführt, dem Journalisten und ehemaligen niederländischen SS-Untersturmführer Willem Sassen ab 1957 Tonbandinterviews zu geben, in denen er sich zweifelsfrei zum Holocaust bekannte. Erst nach einem natürlichen Tod Eichmanns sollte Sassen ein Buch darüber veröffentlichen.

unglaubwürdig Im Jahre 2000 gab das National Archive in Washington eine Kopie von Eichmanns Manuskript über seine Flucht 1945 frei, das die CIA aus Israel erhalten hatte. Nach rührseligen Schilderungen des Abschieds von Frau und Kindern tauchte er zunächst in Salzburg unter – einem Ort wehmütiger Erinnerungen an bessere Zeiten: »Hier in der Zelle eines israelischen Gefängnisses stehen die Gedanken vor mir, als hätte ich sie gestern erst gedacht: Bin ich wirklich in den zwölf Jahren seit meiner Hochzeitsreise nach Salzburg, so fragte ich mich damals, ein schlechter Mensch geworden?

Sollte es stimmen, dass aus mir ein seelenloser Mensch, ein Bösewicht, ein Mörder geworden war?« In seiner Selbstprüfung gelangt Eichmann zu der Überzeugung, er habe nur seine Pflicht getan, Anweisungen ausgeführt und keine wehrlosen Menschen getötet oder den Befehl dazu gegeben. »Was zum Kuckuck wollte man eigentlich von mir?«

Entsprechend unglaubwürdig geht der Bericht von seiner Flucht weiter. Er rechnet mit demjenigen ab, der »diese Befehle« gegeben habe: Adolf Hitler, einer der »größten Idioten der Weltgeschichte«. Im Sinne der aufgebauten Selbstentlastung hätte er nun »Führers« Befehl zum Judenmord verdammen müssen. Stattdessen fragt er: »Warum, um Gottes Willen, beging er den Fehler, Russland anzugreifen?« Das Problem ist also die militärische Niederlage, nicht der von Hitler befohlene Völkermord!

erschiessung Derartige unbeabsichtigte Einblicke in sein tatsächliches Denken unterlaufen Eichmann in diesen Texten laufend. Ebenfalls in den Fluchterinnerungen findet sich folgende Passage, die einem den Atem verschlägt: Bei der Beobachtung einer Massenerschießung habe er eine spontane, rettende Bewegung zu einem Kind hin gemacht, das die verzweifelte Mutter aus der Grube hochgehalten hatte.

Doch das sei nicht gelungen. Sein Fahrer musste ihm die Spritzer der Hirnmasse des Kindes vom Mantel wischen. Der Kommandant von Auschwitz, Rudolf Höß, schrieb hingegen in seiner Autobiografie vor seiner Hinrichtung 1947, dass Eichmann die Tötung von Kindern ausdrücklich gefordert habe, damit keine Generation der Rächer entstünde.

Tatsächlich stand Eichmann immer hinter seiner Aufgabe als »Spediteur in den Tod«. Noch angesichts der sich abzeichnenden militärischen Niederlage reiste er nach Budapest, um noch 1944 400.000 Juden nach Auschwitz deportieren zu lassen.

Während der letzten Wochen des NS-Regimes äußerte er gegenüber Kameraden, dass er zwar selbst wegen seiner Verstrickung in den Judenmord verloren sei, dass er angesichts deren Vernichtung aber Trost und Befriedigung empfinde.

Adolf Eichmann, geboren am 19. März 1906 in Solingen, leitete im Reichssicherheitshauptamt die Vertreibung, Deportation und Ermordung von etwa sechs Millionen Juden. Seit 1932 Mitglied der NSDAP und der SS, machte der Familienvater vor allem mit Kriegsbeginn Karriere im NS-Vernichtungsapparat. Nach dem Untergang des »Dritten Reiches« floh Eichmann nach Argentinien. Dort wurde er 1960 von Mossad-Agenten entführt und nach Israel gebracht. In Jerusalem machte man ihm den Prozess, der am 11. April 1961 begann. Im Dezember 1961 verurteilte ihn das Gericht zum Tode. Am 31. Mai 1962 wurde Eichmann in Ramla gehängt.

Potsdam

Brandenburg: Ja zum Existenzrecht Israels künftig Bedingung zur Einbürgerung

Die Entscheidung der Landesregierung gilt seit Juni dieses Jahres

 18.07.2025

Berlin

Wo die Intifada globalisiert und gegen Zionisten gehetzt wird

Ein Augenzeugenbericht über einen merkwürdigen Abend an der Freien Universität, der mit einem Hausverbot endete

von Alon David  18.07.2025

Meinung

Kein Mensch interessiert sich für den AStA, aber vielleicht sollte man es

An der FU Berlin berieten Studenten darüber, wie man die Intifada globalisieren könnte. Darüber kann man lachen, doch den radikalen Israelfeinden steht der Marsch durch die Institutionen noch bevor

von Noam Petri  18.07.2025

Medien

»Besonders perfide«

Israels Botschafter wirft ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann Aktivismus vor. Die Hintergründe

 18.07.2025

Analyse

Inszenierung des angeblich Unpolitischen

Im Prozess von Lahav Shapira gegen Burak Y. versuchte die Verteidigung, so zu tun, als hätte die Nötigung des jüdischen Studenten nichts mit dem Nahost-Konflikt zu tun. Doch Burak Y. selbst unterlief diese Strategie

von Ruben Gerczikow  18.07.2025

Berlin

Israelisches Restaurant verschiebt wegen israelfeindlicher Proteste Eröffnung

»Ein Restaurant zu eröffnen, sollte eine fröhliche Feier sein«, so die Betreiber. Unter den aktuellen Umständen sei es »kaum möglich, diese Freude zu spüren«

 18.07.2025

Washington D.C.

Trump will Veröffentlichung einiger Epstein-Unterlagen

Der amerikanische Präsident lässt sich selten unter Druck setzen. Doch im Fall Epstein reagiert er nun. Ob das seinen Anhängern reicht?

 18.07.2025

Flandern

Gericht verbietet Transit von Militärgut für Israel

Der Hafen in Antwerpen ist einer der größten Europas. Einer Gerichtsentscheidung zufolge dürfen Schiffe, die von dort aus in den einzigen jüdischen Staat fahren, kein Militärgut mehr mitnehmen

 18.07.2025

Regierung

Warum Friedrich Merz Angela Merkel erst zum 100. Geburtstag öffentlich gratulieren will

Alte Rivalität rostet nicht? Als der Bundeskanzler in Großbritannien auf das Verhältnis zu seiner Vorvorgängerin angesprochen wird, reagiert er schlagfertig

 17.07.2025