Corona-Krise

»Sinnvolle Entscheidung«

Rabbiner Boris Ronis Foto: Stephan Pramme

Herr Rabbiner, täglich steigt die Zahl neuer Corona-Fälle. Nun haben sich Bund und Länder darauf verständigt, alle Gottesdienste auszusetzen. Sind die Synagogen damit dicht?
Ja, mit dem Bund-Länder-Beschluss vom Montag sind alle Zusammenkünfte in Kirchen, Moscheen, Synagogen und die Zusammenkünfte anderer Glaubensgemeinschaften bis auf Weiteres untersagt. Der Schritt ist ein harter Einschnitt. Seit 1945 wurden in Deutschland keine Synagogen mehr geschlossen. Nichtsdestoweniger ha­be ich vollstes Verständnis für die Maßnahme. Das Leben und die Gesundheit der Menschen gehen absolut vor, und wenn es eine Notwendigkeit ist, das öffentliche religiöse Leben zu beschneiden, um die Epidemie einzudämmen, erachte ich eine solche Entscheidung als sinnvoll.

Könnten Gottesdienste per Livestream abgehalten werden?
Grundsätzlich braucht man für einen Gottesdienst die physische Anwesenheit einer aktiven Beterschaft. Ich kann kein Kaddisch ohne Menschen beten. Dennoch müssen wir schauen, welche technischen Möglichkeiten uns in der gegenwärtigen Krise helfen können, wenigstens einen Teil des religiösen Lebens zu gewährleisten. In Berlin hat die Synagoge in der Pestalozzistraße am vergangenen Wochenende ihren Schabbatgottesdienst per Livestream ins Internet gestellt. Mit Erfolg! Die Übertragung hatte mehrere Tausend Zuschauer.

Wie ist die Stimmung in der Gemeinde?
Bedrückt, verunsichert und verängstigt. Die Menschen wissen nicht, wie es weitergeht und was noch alles auf sie zukommt. Viele ziehen sich in ihr privates Umfeld zurück. Das ist verständlich und auch notwendig. Schon in der letzten Woche kamen Ältere und Familien mit Kindern nicht mehr zum Gottesdienst. Inzwischen sind auch die Stimmen, die sich anfangs noch über die Corona-Krise lustig gemacht haben, weitgehend verstummt. Ich rate allen Gemeindemitgliedern, diese Krise wirklich ernst zu nehmen. Zudem sage ich den Menschen, dass sie auf Gott vertrauen müssen. Im Russischen gibt es ein schönes Sprichwort. Es besagt, dass Gott denjenigen schützt, der sich selbst schützt. Der individuelle Eigenschutz und das Gottvertrauen müssen jetzt Hand in Hand gehen.

Was unternehmen Sie, um das Gemeindeleben aufrechtzuerhalten?
Wir befinden uns aktuell in einer noch nie da gewesenen Situation. Als Rabbiner ist es mir ein Anliegen, auch in Zeiten von Quarantänen und häuslicher Isolation ansprechbar zu bleiben. Jeder, der mich sprechen will, kann mich per Videoanruf erreichen. In den nächsten Tagen und Wochen wird es darum gehen, die digitale Kommunikation weiter aufzubauen. Vieles muss ins Virtuelle verlagert werden, um Kontakte zwischen den Menschen aufrechtzuerhalten. Die gebotene soziale Distanz darf nicht zu sozialer Kälte führen.

Mit dem Rabbiner der Jüdischen Gemeinde zu Berlin sprach Jérôme Lombard.

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