Reichsbürger

»Schrill, skurril und gefährlich«

Tobias Ginsburg Foto: pr

Herr Ginsburg, Sie haben für Ihr Buch mehrere Monate undercover in der Reichsbürgerszene recherchiert. Welche Erkenntnisse haben Sie gewonnen?
Es ist ja bekannt, dass die oft so diffus, schrill und skurril wirkende Reichsbewegung gefährlich ist. Aber sie ist nicht die Krankheit, sondern das Symptom. Ja, die Reichsbürger stellen eine ernste Gefahr dar. Aber das eigentliche Problem sind die radikale Rechte und ihre Verschwörungstheorien.

Welche sind das?
Es ist die Vorstellung, dass die Deutschen Opfer einer weltweiten Verschwörung seien und die BRD daher kein legitimer Staat. Ihren Anfang hatte diese Denke bei den Nazis nach 1945, die nicht von ihrem Reich lassen konnten und die Republik ablehnten. Mittlerweile hat sich die Theorie in verschiedensten Milieus festgesetzt, von der Esoterik über selbst ernannte Systemkritiker bis ins Bürgertum. Auch die AfD behauptet in ihrem Parteiprogramm, dass Deutschland von einem »heimlichen Souverän« regiert werde.

Sie meinen, dass durch die AfD solche Verschwörungstheorien hoffähig werden. Sind Teile der AfD und der Reichsbürgerbewegung identisch?
Ja. Ich habe bei meinen Recherchen AfD-Politiker getroffen, die am selben Tisch mit stahlharten Neonazis und völlig wirren Verschwörungstheoretikern saßen. Die Grenzen der Milieus verschwimmen – und das ist beabsichtigt. Einer dieser AfD-Politiker sitzt jetzt übrigens im Bundestag.

Was die Szene zu einen scheint, ist die Holocaustleugnung.
Diese Menschen erträumen sich ein reines, makel- und schuldloses Deutschland, dessen Missstände allein die Schuld der ominösen Verschwörer wären. Wenn sie so etwas glauben wollen, darf die Schoa nicht stattgefunden haben.

Wie antisemitisch ist die Szene?
Sehr. Teils ist sie ganz offen, teils ist sie strukturell antisemitisch. Nach 1945 kann man nicht mehr offen sagen, dass man an eine jüdische Weltverschwörung glaubt, also wird der Judenhass oft codiert. Da redet man je nach Milieu von der internationalen Logenszene, von ominösen Blutmagiern oder von Zionisten, die in schwarzen Roben die Welt lenken.

Hatten Sie keine Angst, als Jude in dieser Szene zu recherchieren?
Für meine Recherchen, eine Art teilnehmende Beobachtung, nahm ich eine neue Identität und einen neuen Namen an. Und beim Schreiben habe ich mir allergrößte Mühe gegeben, fair mit den Menschen umzugehen, egal, wie grauenhaft sie auch sein mögen. Im Internet sind erste Gewaltfantasien und Aufrufe gegen mich zu finden. Es war mir klar, dass da etwas kommen würde. Aber man darf nicht in Angststarre verfallen und ein so wichtiges Thema ignorieren.

Mit dem Autor des Buches »Die Reise ins Reich« sprach Detlef David Kauschke.

Berlin

Ahmad Mansour kritisiert Begriff »antimuslimischer Rassismus«

Für den Islamismus-Experten handelt es sich um einen gefährlichen Kampfbegriff. Er tabuisiere Islamkritik und erkläre Muslime zu Opfern. Doch anders als Juden könnten sie in Deutschland sicher leben

von Gottfried Bohl  21.08.2025

Berlin

300 Wissenschaftler fordern Boykott israelischer Universitäten

Auch »Völkermord« wird Israel in dem Schreiben vorgeworfen. Der Terror der Hamas wird hingegen nicht erwähnt

 21.08.2025

Auschwitz-Prozess

Kein einziges menschliches Wort

Vor 60 Jahren fiel das Urteil gegen 20 NS-Verbrecher in Frankfurt. Sie zeigten keine Reue

von Christoph Arens, Mascha Malburg  21.08.2025

Embargo

»Strategischer Fehler«

In der Union gibt es Zweifel an der Führungsfähigkeit des Kanzlers. Lob bekommt Merz von der AfD und dem Iran

von Stefan Laurin  20.08.2025

Analyse

Misstrauische Partner

Russland stellt sich öffentlich an die Seite des Iran. Doch der Kreml verfolgt in Nahost andere Ziele als die Mullahs

von Alexander Friedman  20.08.2025

Weimar

Buchenwald darf Zutritt mit Palästinensertuch verweigern

Die Hintergründe im Überblick

 20.08.2025

Medien

Fiktion statt Fakten

Matti Friedman hat viele Jahre für die Nachrichtenagentur AP berichtet. Der Journalist kennt die Probleme der Gaza-Berichterstattung aus erster Hand

von Gunda Trepp  20.08.2025

Berlin

Anschlag auf israelische Botschaft geplant? Anklage erhoben

Der Tatverdächtige ist IS-Unterstützer und russischer Staatsbürger

 20.08.2025

Athen

Israelische Firma übernimmt griechischen Rüstungsbauer

Griechenlands größter Hersteller von Militärfahrzeugen ist nun komplett in israelischer Hand. Die strategische Zusammenarbeit im Verteidigungssektor wird damit weiter vertieft

 20.08.2025