Sachsen-Anhalt will eine Meldestelle für antisemitische Vorfälle einrichten. »Wir haben ein Antisemitismusproblem - und zwar bereits lange vor dem Terroranschlag von Halle. Dagegen werden wir entschieden vorgehen. Deshalb werden wir die Empfehlung des Bundesverbandes der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) aufgreifen und auch in Sachsen-Anhalt eine Meldestelle für die Betroffenen einrichten«, kündigte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) am Dienstag in Magdeburg an. Darüber hinaus wolle die Landesregierung ein »Aktionsprogramm gegen Antisemitismus« auf den Weg bringen.
Eine zeitgleich veröffentlichte Analyse von RIAS im Auftrag der Landesregierung ergab, dass die Polizei zwischen 2014 und 2018 insgesamt 343 antisemitische Straftaten in Sachsen-Anhalt erfasste, von denen nach der Definition von RIAS lediglich 270 als antisemitische Vorfälle ausgewertet worden seien.
Der Ansprechpartner für jüdisches Leben in Sachsen-Anhalt nennt die RIAS-Ergebnisse eine schmerzliche Erkenntnis.
Zivilgesellschaftliche Projekte dokumentierten demnach in diesem Zeitraum 92 antisemitische Vorfälle, von denen 64 nicht in der Polizeistatistik erwähnt werden. Seit 2017 sei eine deutliche Zunahme der Anzahl zivilgesellschaftlich dokumentierter antisemitischer Vorfälle festzustellen.
Zudem hätten Interviews mit Juden ergeben, dass Antisemitismus in Sachsen-Anhalt aus Sicht der Befragten ein alltagsprägendes Phänomen darstelle. Der geschäftsführende Vorstand des Bundesverbands RIAS, Benjamin Steinitz, erklärte: »Aus den Interviews entnehmen wir, dass die jüdische Community sich mit ihren Erfahrungen und Bedürfnissen weitgehend alleine gelassen und wenig ernst genommen fühlte.«
Der Ansprechpartner für jüdisches Leben in Sachsen-Anhalt und gegen Antisemitismus, Wolfgang Schneiß, nannte die RIAS-Ergebnisse eine schmerzliche Erkenntnis. Notwendig sei eine breite gesellschaftliche Reaktion gegen Antisemitismus und jede Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. kna