Meinung

Rechtsextremen Pilgern die Lust am Potsdam-Trip nehmen

Tobias Kühn Foto: Gregor Matthias Zielke

Am Donnerstag wird in Potsdam der wieder aufgebaute Turm der einstigen Garnisonkirche eingeweiht. Erwartet wird auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Schirmherr für den Wiederaufbau des Turms. Dieser ist vor allem aus historischen Gründen umstritten, gilt doch die einstige evangelische Militärkirche Preußens als Symbolort antidemokratischer Kräfte. Die Nationalsozialisten nutzten sie 1933 am »Tag von Potsdam«, um die Eröffnung des neuen Reichstags zu inszenieren. Dabei hielt Hitler eine Rede: Er behauptete, die Rechte des Parlaments würden nicht angetastet – und ließ drei Tage später die Gewaltenteilung aufheben.

Es heißt, der wieder errichtete Kirchturm solle ein Lernort für Demokratie werden. Zu befürchten ist jedoch, dass er zu einem Anziehungspunkt für Rechtsextreme wird. Indem der Bundespräsident den Turm auf den Tag genau einen Monat vor der brandenburgischen Landtagswahl eröffnet, bei der nach aktuellen Umfragen die rechtsextreme AfD stärkste Kraft werden könnte, setzt er ein fatales Zeichen.

Ein Zeichen ganz anderer Art setzt ein Parteikollege des Bundespräsidenten: Nur wenige Stunden, bevor Frank-Walter Steinmeier am Donnerstagvormittag den Garnisonkirchturm eröffnet, besucht Bundeskanzler Olaf Scholz die Potsdamer Synagoge. Sie liegt nur 300 Meter von der einstigen Garnisonkirche entfernt. Aller Voraussicht nach wird Scholz den brandenburgischen Juden sagen, dass sie in seinem Wahlkreis willkommen sind. Und sollten sie ihn fragen, wird er ihnen gewiss versichern, dass sie sich keine Sorgen machen müssen, dass von dem rechtsextremen Symbolort in ihrer Nähe eine Gefahr für sie ausgeht. Möge er recht behalten!

Der Bundespräsident indes wäre gut beraten, in seiner Rede bei der Eröffnung des fragwürdigen Kirchturms hervorzuheben, dass er vor allem Schirmherr der Demokratie in diesem Land ist. Und da das Gebäude bislang noch keine Turmhaube hat, könnte er vorschlagen, den Turm nicht mit der historischen Vorlage, sondern einer modernen Alternative zu krönen, die architektonisch ein Zeichen für die Demokratie setzt. Das würde rechtsextremen Pilgern die Lust an ihrem geschichtsrevisionistischen Potsdam-Trip nehmen.

kuehn@juedische-allgemeine.de

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