Antisemitismus

»Rechtlich ist das möglich«

Susanne Krause-Hinrichs Foto: ©Foto-Blumrich 2014

Antisemitismus

»Rechtlich ist das möglich«

Susanne Krause-Hinrichs über den Kampf gegen Judenhass als Staatsziel und Änderungen des Grundgesetzes

 18.08.2022 09:40 Uhr

Frau Krause-Hinrichs, Sie plädieren für eine Klausel gegen Judenhass im Grundgesetz. Warum sollte die Verfassung geändert werden?
Der Staat – mit allen drei Gewalten – muss den Kampf gegen Antisemitismus als eigene Aufgabe verstehen. Bisher mussten dies oft jüdische Institutionen tun, was dann wiederum häufig antisemitische Gegenreaktionen provozierte. In Bezug auf die documenta heißt es dann schlimmstenfalls: »Jetzt wollen die Juden uns auch noch unsere Ausstellung kaputt machen.« Wir brauchen diese Verankerung im Grundgesetz aber auch aus einer historischen Verantwortung heraus.

Sie sind Juristin. Wie realistisch ist die bundesweite Umsetzung einer solchen Reform?
Rechtlich ist das sicher möglich. Staatsziele, wie der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, gibt es bereits im Grundgesetz. Dafür müsste es zunächst politische Verantwortliche geben, die diese Reform auf den Weg bringen wollen und für politische Mehrheiten sorgen. Das ist ein langer Weg, ich würde mich freuen, wenn es politische Kräfte gibt, die ihn gehen wollen. Es ist Zeit.

Wie wirksam ließe sich Antisemitismus mit einer solchen Klausel bekämpfen? Hätte so der Judenhass-Eklat auf der documenta verhindert werden können?
Mit Rechtsetzung kommt Rechtsprechung, kommt Orientierung. Mit einer solchen Reform bleibt es zudem keine politische Beliebigkeit. Es wäre für die documenta-Verantwortlichen einfacher gewesen, zu erkennen, wie sie mit solchen problematischen Werken umgehen müssen.

Im Grundgesetz steht: »Die Würde des Menschen ist unantastbar.« Warum reicht dieser Satz nicht aus?
Der Antisemitismus richtet sich nicht nur gegen die Würde einzelner, jüdischer Menschen. Er richtet sich auch gegen unser demokratisches, friedliches Miteinander. Er ist zu komplex, um ihn allein mit dem Recht auf Menschenwürde bekämpfen zu können. Juristisch unsicher ist zum Beispiel auch, ob jemand durch Bilder, wie sie auf der documenta zu sehen waren, tatsächlich in seinen Grundrechten verletzt ist. Von der Verankerung im Grundgesetz verspreche ich mir, dass zukünftig auf alle, auch auf neue, Erscheinungsformen des Judenhasses eingegangen werden kann.

In Brandenburg und Sachsen-Anhalt wurde das Staatsziel der Judenhass-Prävention bereits in die Verfassung aufgenommen. Was ändert sich dort nun konkret?
Ich hoffe auf eine noch stärkere Beschäftigung mit dem Thema in allen relevanten gesellschaftlichen Bereichen. Vor allem mehr Prävention und pädagogische Arbeit. Wenn es sein muss, auch härtere Sanktion. Die Abgeordneten haben nun auch die Möglichkeit, zu prüfen und zu diskutieren, ob und wie die Verfassungsreform umgesetzt wird.

Mit der Juristin und Geschäftsführerin der F.C. Flick Stiftung sprach Lilly Wolter.

Meinung

Die AfD schreckt vor nichts mehr zurück

Im Bundestag bagatellisiert die AfD sogar den Völkermord an bosnischen Muslimen 1995, um gegen Muslime in Deutschland zu hetzen

von Michael Thaidigsmann  11.07.2025

Berlin

AfD-Eklat im Bundestag bei Debatte über Völkermord

Der Bundestag unterbricht seine Haushaltsberatungen für eine Diskussion zum Gedenken an das Kriegsverbrechen in Srebrenica vor 30 Jahren. Bei AfD-Reden kommt es zum Skandal

 11.07.2025

Justiz

Berufung wegen antisemitischer Inhalte auf X zurückgewiesen

Das Landgericht hatte die Klage im Juni 2024 mit Verweis auf fehlende internationale Zuständigkeit abgewiesen

 11.07.2025

Ravensbrück

Familie von KZ-Überlebender erhält Ring zurück

Im Frühjahr war es demnach einer Freiwilligen gelungen, die Familie von Halina Kucharczyk ausfindig zu machen

 11.07.2025

Thüringen

Voigt für deutsch-israelisches Jugendwerk in Weimar

Er führe dazu Gespräche mit israelischen Partnern, die bereits Interesse an einer Ansiedlung in Thüringen signalisiert hätten

 11.07.2025

Washington D.C.

US-Behörde wartet auf Daten zu attackierten Iran-Atomanlagen

In welche Tiefen drangen die bunkerbrechenden Bomben in die iranischen Atomanlagen vor? Die für die Entwicklung der Bomben zuständige Behörde hat darauf noch keine Antwort

 11.07.2025

Sarajevo/Berlin

Rabbiner: Srebrenica-Gedenken in Deutschland besonders wichtig

8.000 Tote und eine Wunde, die nicht verheilt: Heute gedenkt die Welt der Opfer des Massakers von Srebrenica. Das liberale Judentum sieht eine gemeinsame Verantwortung - auch bei der deutschen Erinnerungskultur

 11.07.2025

Brüssel

EU baut Drohkulisse gegen Israel auf

Die EU will Israel zu einer besseren humanitären Versorgung der Menschen in Gaza drängen - und präsentiert das Inventar ihrer Daumenschrauben

 11.07.2025

Berlin

Mehr Verfahren wegen Antisemitismus eingeleitet

Die Berliner Staatsanwaltschaft bearbeitet Hunderte Fälle mit antisemitischem Hintergrund

 11.07.2025