Lüneburg

Prozess gegen früheren SS-Unterscharführer

Oskar G. half, Spuren der Massentötung zu verwischen, lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Foto: dpa

70 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz am 27. Januar 1945 wird in Lüneburg noch einmal gegen einen früheren deutschen SS-Unterscharführer des Vernichtungslagers verhandelt.

Voraussichtlich im April muss sich der heute 93-jährige Oskar G. wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen verantworten. »Für die Überlebenden des Lagers und ihre Angehörigen ist der Prozess eine sehr, sehr späte Form der Gerechtigkeit«, sagte der Kemptener Rechtsanwalt Thomas Walther dem Evangelischen Pressedienst.

Angehörige Walther vertritt in Lüneburg rund 30 der mittlerweile 55 Nebenkläger. Viele von ihnen haben als Kinder oder Jugendliche Auschwitz durchlitten. Ihre Angehörigen wurden dort vergast und verbrannt. »Kapos beantworteten Fragen der Kinder oft so: Dort im Rauch ist deine Familie, die geht gerade durch den Schornstein«, sagte der Anwalt. Einige der Überlebenden wollten aus dem Ausland zu dem Prozess kommen: »Sie wollen für ihre ermordeten Eltern Zeugnis ablegen.«

Dabei gehe es ihnen nicht um das Strafmaß für den Angeklagten. »Sie wollen den Dialog mit der Öffentlichkeit und mit ihm«, erläuterte Walther. Sie empfänden es als Verpflichtung, den Toten ein Gesicht und eine Stimme zu geben. »Sie wollen aussprechen: Der Angeklagte hat daran mitgewirkt, meinen Vater, meine Mutter, meine Geschwister in die Gaskammern von Auschwitz zu treiben.«

Vorwürfe Der Angeklagte Oskar G. war für das Gepäck der verschleppten Menschen auf der Bahnrampe von Auschwitz mit zuständig und verbuchte das Geld, das sie bei sich hatten. Nach den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft hat er Spuren der Massentötung verwischt, indem er half, Gepäck wegzuschaffen.

Nachfolgende Häftlinge sollten nicht sehen, wohin sie wirklich kamen. »Die Bühne für die Täuschung musste bereitet werden, damit die Mordmaschine funktionierte«, unterstrich Walther. Das sei Beihilfe zum Mord.

»Beihilfe bedeutet eine Unterstützung des Täters in jeglicher Hinsicht«, betonte der Anwalt. Andere Urteile etwa gegen einen Helfer des Attentates auf das World Trade Center in New York seien da eindeutig. Bei den NS-Tätern sei dies aber zu spät berücksichtigt worden.

Walther hatte auch den Prozess gegen John Demjanjuk vorbereitet, dessen Urteil 2011 einen Wendepunkt in der strafrechtlichen Verfolgung von NS-Tätern einleitete. Die Tatsache, dass Demjanjuk als Wärter im Lager Sobibor »Teil der Vernichtungsmaschine« war, reichte für eine Verurteilung. epd

Brüssel

»Gegen EU-Grundwerte«: Kommission verurteilt Festival

Eine Sprecherin der Europäischen Kommission hat den Boykott der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani in die Nähe von Antisemitismus gerückt und scharf verurteilt

von Michael Thaidigsmann  12.09.2025

Belgien

»Ruf unseres Landes beschmutzt«: Premier rügt Gent-Festival

Premier Bart de Wever kritisiert die Leiter eines belgischen Festivals dafür, die Münchner Philharmoniker und ihren Dirigent Lahav Shani ausgeladen zu haben

 12.09.2025

Berlin

Humboldt-Universität will gegen Antisemitismus vorgehen

Präsidentin Julia von Blumenthal sieht ihre Hochschule für künftige Auseinandersetzungen rund um den Nahost-Konflikt gut vorbereitet

von Lukas Philippi  12.09.2025

Gaza

Die Genozid-Lüge

Wie die Hamas nach dem 7. Oktober vom Täter zum Opfer wurde – und Israel zur Verkörperung des Bösen schlechthin

von Stephan Lehnstaedt  12.09.2025

Nachkriegsjustiz

Verhandlung über Massenmord: Vor 80 Jahren begann der Belsen-Prozess

Fünf Monate nach der Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen erhob ein britisches Militärgericht in Lüneburg Anklage gegen die Täter. In einer Turnhalle begann damit vor 80 Jahren der erste große NS-Kriegsverbrecherprozess in Deutschland

von Karen Miether  12.09.2025

Belgien

Deutsche Botschaft beendet Partnerschaft mit Gent-Festival

Die Deutsche Botschaft in Brüssel hat nach der Ausladung der Münchner Philharmoniker ihre Zusammenarbeit mit dem Flandern-Festival in Gent eingestellt

von Michael Thaidigsmann  11.09.2025

Debatte

Zentralrat nennt Ausladung Shanis »fatales Signal«

Wer einen Künstler aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder seiner jüdischen Religion ausgrenzt und diskreditiert, trete die Demokratie mit Füßen

 11.09.2025

Berlin

Soziale Medien: »TikTok-Intifada« und andere Probleme

Denkfabrik Schalom Aleikum beschäftigt sich auf einer Fachtagung mit Hass im Netz: »Digitale Brücken, digitale Brüche: Dialog in Krisenzeiten«

 11.09.2025

Urteil

Bundesgerichtshof bestätigt Geldstrafen gegen Höcke

Das Landgericht Halle habe in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass der AfD-Politiker die verbotene SA-Parole »Alles für Deutschland« und »Alles für« gerufen hat

 11.09.2025