Meinung

Populistisch, aber kein Grund zur Panik

»Man wird in diesem Land (Brasilien) erst etwas ändern können, wenn wir eines Tages einen Bürgerkrieg initiieren und die Aufgabe erledigen, welche das Militärregime nicht vollzogen hat, nämlich 30.000 Menschen zu töten.«

Trotz – oder gerade wegen – solcher Aussagen sowie für sein Versprechen, Recht und Ordnung wiederherzustellen, gewann Jair Messias Bolsonaro am Sonntag in der Stichwahl und wird für die nächsten vier Jahre der Präsident Brasiliens.

unglaubwürdig Seit langer Zeit fällt er insbesondere wegen seiner politisch inkorrekten Rhetorik auf, in der rassistische, frauen- sowie homosexuellenfeindliche Sprüche normal sind. Bolsonaro trat in dieser Wahl als aufrichtiger Anti-System-Kandidat auf, der für Familie und eine radikal-konservative Wende stand. Zu diesem Diskurs fügte er einen angeblichen Wirtschaftsliberalismus hinzu.

Kurios nur, dass Bolsonaro seit 1990 für acht unterschiedliche Parteien im Parlament saß, drei verschiedene Frauen heiratete (die letzte stellte er in seinem Büro an, bevor er mit ihr neun Tage später einen Verlobungsvertrag schloss) und sich in 28 Jahren immer gegen wirtschaftsliberale Maßnahmen stellte. Trotzdem glaubten rund 57 Millionen Wähler an ihn.

Für diese Menschen schien Bolsonaro die einzige radikale, diametral entgegengesetzte Antwort auf die PT, die Brasilien in ein immenses Krisenloch hineinwarf. Die Inkompetenz und Machtgier der PT samt stets wachsendem politischem Einfluss der Evangelikalen sowie der Unglaubwürdigkeit der traditionellen Parteien formten seinen Sieg. Der Ursprung und zugleich das Ergebnis seiner Wahl ist eine breite Kluft zwischen PT-Anhängern/Progressisten und dem »Anti-PT«-Lager. Nun wird es sich nur noch verschärfen.

Israel Auch die jüdische Gemeinschaft, ebenso betroffen von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Problemen, spaltete sich sehr stark. Obwohl Bolsonaro gegenüber Israel freundlich auftritt und sogar eine Versetzung der Botschaft nach Jerusalem versprach, verstehen viele Gemeindemitglieder seine Hetze gegen Minderheiten als Gefahr für eine Radikalisierung in der Bevölkerung. Sie befürchten, dass sich Neonazis aufgrund Bolsonaros Radikalität gestärkt fühlen.

Wie Bolsonaro nun in Regierungsverantwortung agieren wird, ist noch schwer einzuschätzen. Im Kongress wird er für seine wertkonservative Wende Rückhalt finden, aber nicht unbedingt für die dringend nötigen Staatsreformen. Insbesondere muss man die Reaktion brasilianischer Institutionen auf seine Regierung abwarten. Der fünftgrößten Demokratie der Welt steht eine harte Probe bevor, doch Hysterie, wie in anderen vom Populismus betroffenen Ländern, ist derzeit kontraproduktiv.

Der Autor wurde in Brasilien geboren und ist Stipendiat des Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks (ELES).

Berlin

»Berlin verneigt sich«

Zwei Monate nach ihrem Tod wird die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer in Berlin gewürdigt. Der Bundespräsident mahnt vor Politikern und Weggefährten, das Erbe der Jahrhundertfrau weiterzutragen

von Alexander Riedel  09.07.2025 Aktualisiert

Berlin

Berufungsverhandlung gegen X wegen antisemitischer Inhalte

Der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antisemitismus, Felix Klein, unterstütze den Prozess

 09.07.2025

Langenau

»Die Aktivisten wollen den Pfarrer und seine Familie zermürben«

Württembergs Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl fordert konkrete Schritte gegen »propalästinensische« Störer vor der Martinskirche. Die Stadt habe »versucht, es auszusitzen«

 09.07.2025

Berlin

Lahav Shapira verklagt FU: Prozess beginnt Dienstag

Der attackierte Student wirft seiner Universität vor, zu wenig gegen Antisemitismus auf dem Campus getan zu haben

 09.07.2025

Meinung

BSW und AfD: Zwei Ausprägungen desselben autoritären Denkens

Sahra Wagenknecht und ihre Partei nähern sich den Rechtsextremen immer weiter an. Spätestens jetzt ist klar: Am BSW gibt es nichts Progressives

von Igor Matviyets  09.07.2025

Interview

»Schau ma mal, dann seng ma scho«

Josef Schuster über 75 Jahre Zentralrat der Juden in Deutschland, Herausforderungen für die Gemeinden und die Frage, ob er für eine weitere Amtszeit kandidieren will

von Leticia Witte  09.07.2025

Berlin

Merz: Israels Angriffe auf Iran sind völkerrechtskonform

Sind die israelischen Angriffe auf den Iran vom Völkerrecht gedeckt? Der Kanzler nimmt dazu nun eine eindeutige Haltung ein

 09.07.2025

Berlin

Millionenförderung für jüdisches Leben

Die sogenannten Staatsleistungen machten dabei fast 8,9 Millionen Euro in dieser Summe aus. Als Zuwendung für personelle Sicherheitsleistungen flossen den Angaben zufolge 6,1 Millionen Euro

 09.07.2025

Skandal-Band

Felix Klein fordert, Konzerte von »Bob Vylan« abzusagen

Das britische Punk-Duo hatte bei einem Auftritt israelischen Soldaten den Tod gewünscht

von Hannah Schmitz  09.07.2025