Das Bundesverfassungsgericht hat am Dienstag den Antrag des Bundesrats auf Verbot der NPD zurückgewiesen. Das verkündete der Präsident des Zweiten Senats des Gerichts, Andreas Voßkuhle, in Karlsruhe. Damit ist ein Verbot der rechtsextremen Partei zum zweiten Mal gescheitert (Aktenzeichen: 2 BvB 1/13).
Begründung »Nach einstimmiger Auffassung des Zweiten Senats verfolgt die NPD zwar verfassungsfeindliche Ziele, es fehlt aber derzeit an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es möglich erscheinen lassen, dass ihr Handeln zum Erfolg führt«, sagte Voßkuhle zur Begründung.
Ein Parteiverbot komme anders als beim Verbot der KPD in den 50er-Jahren nur infrage, wenn eine Partei über Wirkungsmöglichkeiten verfüge, um ihre verfassungsfeindlichen Ziele umzusetzen, so Voßkuhle weiter. Dies sei bei der NPD nicht der Fall. Die Partei sei derzeit überregional nur mit einem Abgeordneten im Europaparlament vertreten und habe in den fünf Jahrzehnten ihres Bestehens in keinem Landesparlament dauerhaft Fuß fassen können.
Es gebe keine Hinweise darauf, dass sich das ändern werden. Mit weniger als 6.000 Mitgliedern sei die NPD in ihren Wirkungsmöglichkeiten beschränkt.
Das Verfassungsgericht attestierte gleichwohl der NPD eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus, die die Missachtung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bestätige. Da aber nicht einmal die Möglichkeit bestehe, dass die Partei ihre verfassungsfeindlichen Ziele erreichen könne, sei ein Parteiverbot als schärfste und überdies zweischneidige Waffe des demokratischen Rechtsstaats nicht zu rechtfertigen.
Der Verbotsantrag war Ende 2013 vom Bundesrat gestellt worden, weil die rechtsextreme Partei nach Ansicht der Länderkammer darauf zielt, die freiheitliche demokratische Grundordnung in Deutschland zu beseitigen. Es war bereits der zweite Versuch, die NPD vom höchsten deutschen Gericht verbieten zu lassen. 2003 scheiterte ein Verfahren an V-Leuten in den Führungsgremien der Partei. Antragsteller im Verfahren war der Bundesrat. Bundestag und Bundesregierung hatten sich anders als im ersten Verfahren dem Antrag nicht angeschlossen.
Reaktionen Das Internationale Auschwitz Komitee kritisierte das Urteil mit scharfen Worten. Vizepräsident Christoph Heubner sprach von einem »tragischen Tag für die wehrhafte Demokratie«. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sei für die Überlebenden des Holocaust »eine empörende und erschreckend realitätsferne Entscheidung«. Das Urteil sende auch ein »fatales Signal nach Europa, wo Rechtsextreme und Rechtspopulisten längst neue Schnittmengen miteinander finden und ständig versuchen, Angst und Unsicherheit von Menschen in Hass und Aggression zu verwandeln«.
Auch Ronald S. Lauder, Präsident des World Jewish Congress (WJC), nannte das Scheitern des NPD-Verbotsverfahrens »enttäuschend« und »irritierend«. Er sagte am Dienstag: »Leider erlaubt dieses Urteil es der NPD, ihre destruktiven antidemokratischen Aktivitäten fortzuführen und weiterhin üble neonazistische, antisemitische und rassistische Hetze zu verbreiten.« Man könne nur hoffen, dass Deutschland die Neonazi-Szene weiter entschlossen bekämpfen werde.
Rüdiger Mahlo, Repräsentant der Claims Conference in Deutschland, sagte, der erneute Fehlschlag des Verbots kurz vor den Gedenkveranstaltungen anlässlich der Befreiung von Auschwitz sei »ein Schlag ins Gesicht für die jüdischen Holocaust-Überlebenden«. Aus Sicht der Mehrheitsgesellschaft könne die Begründung, eine stabile Demokratie müsse in der Lage sein, verfassungswidrige Splitterparteien zu verkraften, zutreffen. Aus der Sicht der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland greife die Argumentation des Verfassungsgerichts jedoch zu kurz: »Es sind nicht die Friedhöfe, Synagogen, Kindergärten oder Persönlichkeiten der Mehrheitsgesellschaft, die hierzulande mit Hilfe der Polizei gegen Verfassungsfeinde geschützt werden müssen, sondern nur die der Minderheiten«, so Mahlo.
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) rief am Dienstag zu verstärktem Einsatz gegen Rechtsextremismus auf. Er nehme das Urteil des Bundesverfassungsgerichts »mit größtem Respekt zur Kenntnis«, sagte Maas. Das Gericht habe sehr deutlich gemacht, dass das politische Konzept der NPD die Menschenwürde missachte und mit dem Demokratieprinzip unvereinbar sei. »Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus kann uns niemand abnehmen«, so der SPD-Politiker.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnte vor falschen Schlussfolgerungen aus dem Urteil. Die Karlsruher Richter hätten lediglich bestätigt, welch hohe Hürden das Grundgesetz einem Parteienverbot entgegenstelle, sagte der GdP-Bundesvorsitzende Oliver Malchow. Wer anführe, dass die NPD im politischen Leben kaum noch eine Rolle spiele, der irre. 338 kommunale Mandate habe die NPD inne, besonders im Osten Deutschlands. Allein in Sachsen verfüge sie über 80 Mandate. Malchow unterstrich: »Wir werden weiter mit sehr viel Personal NPD-Veranstaltungen und -Demonstrationen schützen müssen. Das hätten wir uns gerne erspart.«(mit epd)