Frankreich

Nicht ganz koscher

Ohne Betäubung: Rechte wollen Kennzeichnungspflicht für geschächtetes Fleisch. Foto: dpa

Beim traditionellen Diner des Conseil Représentatif des Institutions Juives de France (CRIF) im Februar war die Welt noch in Ordnung. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy war mit seinem sozialistischen Gegenkandidaten François Hollande zu dem alljährlichen Abendessen des jüdischen Dachverbandes geladen und hatte für seine Ansprache großen Beifall erhalten. Ein paar Wochen später stehen statt Festessen Krisensitzungen auf der politischen Agenda. Die jüdische Gemeinschaft ist laut CRIF-Chef Richard Prasquier über die Regierung »schockiert«.

Der Grund für die Aufregung: Sarkozys Union für eine Volksbewegung (UMP) machte plötzlich die Forderung zum Wahlkampfthema, das Fleisch geschächteter Tiere mit dem Etikett »ohne Betäubung« zu kennzeichnen.

Ursprünglich richtete sich dies gegen Muslime. Am 5. März erklärte Sarkozy: »Das Problem des Halal-Fleisches ist das Thema, das die Franzosen am meisten beschäftigt« und berief sich dabei auf eine Umfrage der Tageszeitung Le Monde.

kampagne Von der sozialistischen Partei, der Parti Socialiste (PS), kam sofort die Kritik, dass es der UMP an einem richtigen Programm mangele und sie angesichts des großen Umfragevorsprungs ihres Gegenkandidaten Hollande verzweifelt versuche, nebensächliche Themen in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes zu rücken, die vor allem bei den Rechtsextremen Zuspruch finden.

Es ist in der Tat nicht neu, dass die Konservativen regelmäßig bei Wahlen am rechten Rand auf Stimmenfang gehen und dabei dem Front National (FN) nach dem Mund reden.

Die derzeitige Debatte hat ihren Ausgangspunkt bei der rechtsextremen Partei. Alles begann mit einem Kommentar von FN-Kandidatin Marine Le Pen, der Tochter des Parteigründers Jean-Marie Le Pen. Sie hatte behauptet, dass das in der Region Ile-de-France verkaufte Fleisch inzwischen halal sei. Daraufhin hatte sich der für seine anti-muslimische Haltung bekannte UMP-Innenminister Claude Guéant zu Wort gemeldet.

Er begründete seine ablehnende Haltung in der Frage, ob Nicht-Franzosen an Lokalwahlen teilnehmen dürfen, damit, dass ausländische Gemeinderäte sonst Halal-Fleisch in sämtlichen Schulkantinen zur Pflicht machen könnten.

Etikettierung Als nach Guéant und Sarkozy dann auch noch Premierminister François Fillon forderte, die Religionsgemeinschaften sollten ihre »alten Traditionen im Hinblick auf die rituelle Schlachtung« überdenken, da sie nicht mehr zeitgemäß seien, war der Skandal perfekt. Die jüdische Gemeinschaft, die bereits seit Sarkozys Äußerungen zur Etikettierung von geschächtetem Fleisch in Alarmbereitschaft stand, reagierte empört.

Die jüdische Gemeinschaft sei nicht nur »schockiert«, sondern fühle sich von der Regierung »gedemütigt«, erklärte der CRIF. Sein Vorsitzender Prasquier stellte öffentlich fest, dass der »Kandidat Sarkozy anscheinend nicht dieselbe Position zur Etikettierungsfrage bezieht wie der Präsident Sarkozy«.

Frankreichs Großrabbiner Gilles Bernheim und der Präsident des Consistoire Central, des französischen Zentralrats, Joël Mergui, forderten von der Regierung, nicht »die Religionen im Rahmen des Wahlkampfs zu instrumentalisieren«. Die Kritik zeigte Wirkung. Die Vertreter der französischen Juden wurden vom Premierminister empfangen, der ihnen persönlich versicherte, dass er die jüdische Gemeinschaft nicht habe verletzen wollen.

Die Wogen scheinen vorerst geglättet. Der Berater von Frankreichs Großrabbiner in Kaschrut-Fragen, Großrabbiner Bruno Fiszon, verkündete, dass man sich inzwischen auf einen Kompromiss geeinigt habe: »Die Kennzeichnung ›ohne Betäubung‹ soll nicht mehr verpflichtend werden, sondern auf freiwilliger Basis erfolgen. Das ist eine sehr positive Entwicklung für uns.« Großrabbiner Fiszon wird bei den künftigen Diskussionen mit der Regierung die jüdische Gemeinde vertreten und dabei darauf achten, dass es bei dem Kompromiss bleibt.

Schechita »Eine obligatorische Etikettierung würde für die Schechita das Aus bedeuten. Niemand würde im normalen Handel noch unser Fleisch kaufen«, so Fiszon. »Deshalb müssen wir unbedingt verhindern, dass Frankreich seine Position ändert, vor allem auch auf europäischem Ebene. Denn die EU versucht seit Längerem, diese Kennzeichnung zur Pflicht zu machen, und Frankreich hat sich bislang immer dagegen gestellt. Das soll auch so bleiben. Deshalb bleiben wir trotz der Versicherungen der Regierung in Alarmbereitschaft.«

Der Großrabbiner scheut zwar den Vergleich zwischen UMP und dem Front National, doch er gesteht, dass das Vertrauen zur Regierungspartei erschüttert sei.

Antisemitismus

Opfer des 7. Oktober waren an Unis »nicht der Rede wert«

Die Massaker der Hamas führten zu »brutaler Einsamkeit« von Juden, erklärte Doron Kiesel

 07.10.2024

Berlin

Ron Prosor: 7. Oktober ist ein schwerer Tag für Israel

Jubel für die Taten der Hamas auch auf deutschen Straßen nennt der israelische Botschafter »unmenschlich«

 07.10.2024

Meinung

Das Tremolo der Besserisraelis

Friedensengel Nasrallah, Kriegstreiber Netanjahu? Die deutsche Berichterstattung über den 7. Oktober und den Nahostkonflikt wird journalistischen Standards allzu oft nicht gerecht

von Michael Thaidigsmann  07.10.2024

Frankfurt am Main

»Propalästinensische« Demo darf stattfinden

Die Stadt kann das Urteil nicht mehr anfechten

 07.10.2024

Berlin

Scholz lässt gelbe Schleife ans Kanzleramt hängen

»Wir fühlen mit euch«, verspricht der Kanzler den Familien der Hamas-Geiseln

von Imanuel Marcus  07.10.2024

Berlin

Ein Jahr Ausnahmezustand

Der Zentralrat der Juden stellte heute das neue Lagebild zu den Auswirkungen des 7. Oktobers vor

 07.10.2024

7. Oktober

Düsseldorf erinnert an Opfer des Hamas-Überfalls

Um 5.29 Uhr Mahnwache vor der Düsseldorfer Synagoge

 07.10.2024

Debatte um homophobe Muslime

Berlins Queer-Beauftragter kontert Kühnert mit Kufiya

Der SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hatte geschildert, dass Schwulenfeindlichkeit häufig von »muslimisch gelesenen Männerngruppen« ausgehe

 07.10.2024

Jahrestag der Hamas-Massaker

»Wir müssen uns gemeinsam gegen dieses Böse stellen«

Bei der Gedenkveranstaltung von Chabad Berlin richtete der Überlebende Alon Gat bewegende Worte an die Gäste

 07.10.2024