Nahost

Mr. Kerry lädt ein

Ein »konstruktives und produktives« Treffen: Außenminister John Kerry (M.) mit den Unterhändlern Zipi Livni und Saed Erekat Foto: dpa

Sie saßen Seite an Seite. Die israelische Unterhändlerin Zipi Livni neben dem Palästinenser Saeb Erekat. Die Atmosphäre war entspannt und freundlich. Gemeinsam mit US-Außenminister John Kerry trafen sich die Verhandlungswilligen aus Nahost am Montagabend in Washington, um nach drei Jahren Stillstand die Friedensgespräche wiederaufzunehmen. Den Auftakt machte ein traditionell muslimisches Iftar-Abendessen, um das Fasten im Monat Ramadan zu brechen.

final Die Verhandlungen sind auf neun Monate angelegt. Nach dieser Zeit soll es allerdings keine Interimslösung geben, sondern einen endgültigen Status im Nahostkonflikt. Auf israelischer Seite ist neben Justizministerin Livni der enge Vertraute von Regierungschef Benjamin Netanjahu, Yitzhak Molcho, dabei. Für die Palästinenser sitzen Erekat und Mohammed Ishtyeh am Runden Tisch.

Kerry hatte sich zuvor mit jeder Seite einzeln getroffen. Livni machte deutlich, dass man hier sei, »um den jahrelangen Konflikt zwischen den Palästinensern und uns zu beenden. Es ist kein Gefallen für die USA oder die Palästinenser. Es ist etwas, das wir tun müssen.«

Am Tag zuvor hatte es im israelischen Kabinett eine hochemotionale Debatte gegeben. Nach stundenlanger Diskussion entschied man sich am Sonntag für die Freilassung von 104 palästinensischen Gefangenen, darunter Terroristen, verurteilte Mehrfachmörder. »Ein trauriger Tag für Israel«, war der Tenor bei allen Ministern. Am Ende stimmte jedoch die Kabinettsmehrheit zu: 13 Minister votierten mit Ja, sieben dagegen, zwei enthielten sich.

»Dies ist eine extrem schmerzhafte Entscheidung«, erklärte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, »doch sie dient den höheren Interessen des Staates.« Man munkelt, der Premier habe Kerry bereits zuvor ein »Ja« in der Angelegenheit versprochen.

Blut Während der Abstimmung hatten sich einige Dutzend Israelis vor der Knesset versammelt, um gegen die Freilassungen zu demonstrieren. Angehörige und Terroropfer drängten die Minister, mit »Nein« zu stimmen. Viele hatten sich die Hände mit roter Farbe bemalt, um zu signalisieren: »Lasst nicht die mit Blut an den Händen frei!«

Vom US-Außenministerium wurde die Freilassung explizit gelobt. Eine Sprecherin betonte, es sei ein bedeutender Schritt und man verstehe im Ministerium, wie schwer diese Entscheidung gewesen sein muss.

Trotz der positiven Stimmung am ersten Tag übte sich einer – obwohl bei den Gesprächen nicht anwesend – in feindseliger Rhetorik. Während eines Besuches in Kairo tönte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, dass »kein einziger Israeli« in einem zukünftigen Palästinenserstaat verweilen könnte. Außerdem würden sämtliche Siedlungen, die auf Land gebaut sind, das im Sechstagekrieg besetzt wurde, für illegal erklärt.

fehler Davon ließ sich Zipi Livni ihren Optimismus nicht nehmen. Die Gespräche fänden in »freundlicher Atmosphäre statt«, erklärte sie. Schließlich träfen sich hier alte Freunde, die bereits viele Stunden in Verhandlungssälen gemeinsam verbracht hätten. »Das grundlegende Prinzip der Gespräche ist, dass nichts zu Ende ist, bis alles zu Ende ist. Auf diese Weise kann niemand sagen, eine Seite treffe Entscheidungen auf Kosten der anderen.« Außerdem kenne man sich und habe von persönlichen Erfahrungen und aus vorherigen Fehlern gelernt. Eine der Neuerungen ist die Vereinbarung der Verhandelnden, über jegliche Fortschritte Stillschweigen zu bewahren, um zunächst das verlorene Vertrauen wiederherzustellen.

Die israelische Öffentlichkeit ist in der Angelegenheit tief gespalten. Viele sehen die Freilassung von verurteilten Terroristen als zu hohen Preis an, andere wiederum sind der Auffassung, die Geste sei ein notwendiges Übel, um die Forderung der Palästinenser zu erfüllen und die Gespräche nach drei Jahren Stillstand wieder anzukurbeln. Laut jüngsten Umfragen könnte ein Volksentscheid in Israel einem Friedensabkommen dienlich sein. Rund 55 Prozent erklärten, sie seien im Falle eines »echten Friedens« zu Konzessionen bereit.

Auch die israelische Unterhändlerin will das so sehen: »Es gibt viel Zynismus, viel Skepsis und Pessimismus. Doch es gibt auch Hoffnung. Ich glaube, dass wir durch die Neuaufnahme der Gespräche die Hoffnung sowohl für Israelis wie auch für Palästinenser wieder aufbauen können.«

Nahost

Islamisten übernehmen Kontrolle über Damaskus - Assad flieht

Seit mehr als 13 Jahren dauert der Bürgerkrieg in Syrien an. Nun geht es rasend schnell. Erst vor anderthalb Wochen starteten die Islamisten ihre Offensive - und scheinen ihr Ziel erreicht zu haben

 08.12.2024

Andreas Nachama

Gesine Schwan rechnet die Schoa gegen Israels Politik auf

Die SPD-Politikerin sollte die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit würdigen, doch ihre Rede geriet zur Anklage gegen Israel

von Rabbiner Andreas Nachama  07.12.2024

Debatte

Saarland verpflichtet alle Schüler zum Besuch von NS-Stätten

Eine Pflicht für Schüler zum Besuch von Gedenkstätten der NS-Zeit hat der saarländische Landtag auf den Weg gebracht. Künftig soll mindestens ein solcher Besuch in der Schullaufbahn stattfinden

von Matthias Jöran Berntsen  07.12.2024

Deutschland

Zentralratspräsident Josef Schuster: Halte AfD und BSW für gefährlich

Der Präsident des Zentralrats der Juden hat deutliche Worte für die AfD - aber auch für das BSW. Wie er auf die Neuwahlen im Februar blickt

von Leticia Witte  07.12.2024

Berlin

Bundesregierung teilt Völkermord-Vorwurf nicht

Eine »klare Absicht zur Ausrottung einer Volksgruppe« sei nicht erkennbar, heißt es

 06.12.2024

Vatikan

Jüdischer Weltkongress: Sorge über Papstwort zu Genozid

Mit seiner Forderung Genozid-Vorwürfe gegen Israel sorgfältig zu prüfen, hatte der Papst kürzlich für Kritik gesorgt. Eine Unterredung im Vatikan.

 06.12.2024

Australien

Anschlag auf Synagoge »völlig vorhersebare Entwicklung«

Die jüdische Gemeinde in Australien steht unter Schock. Auf die Synagoge in Melbourne wurde ein Anschlag verübt. Die Ermittlungen laufen

 06.12.2024

Berlin

Ron Prosor rechnet mit Amnesty International ab

Die Organisation verbreite in ihrem Israel-Bericht Narrative und Zahlen der Hamas, so der israelische Botschafter

von Imanuel Marcus  06.12.2024

Würzburg/Berlin

Zentralrat der Juden wirft Amnesty International Terrorrelativierung vor

Die »dämonisierende Verurteilung Israels« sprenge jeden Rahmen, kritisiert der Zentralratspräsident

 06.12.2024