Berlin

Mobbing gegen jüdischen Schüler

Die John F.-Kennedy-Schule in Berlin: Hier wurde im vergangenen Jahr ein jüdischer Schüler antisemitisch beleidigt und gemobbt. Foto: dpa

An der John-F.-Kennedy-Schule im gutbürgerlichen Berliner Stadtteil Zehlendorf ist ein jüdischer Schüler antisemitisch beleidigt und gemobbt worden. In einer Mitteilung, die auf der Website der Schule zu finden ist, heißt es: »Anfang Juni sind der Schulleitung antisemitische Vorfälle im Rahmen einer Mobbing-Problematik bekannt geworden. Die Vorfälle haben sich in einer 9. Jahrgangsstufe zugetragen und wurden zunächst in Ausmaß und Ernsthaftigkeit unterschätzt.«

Schulweg Die »Berliner Zeitung« schrieb, mehrere Mitschüler hätten den Neuntklässler über Monate hinweg drangsaliert – auch auf dem Hin- und Rückweg von der Schule. Ein Mitschüler soll ihm laut dem Zeitungsbericht kalten Zigarettenrauch ins Gesicht geblasen haben und dabei gesagt haben, er solle an seine vergasten Vorfahren denken.

Bei einer anderen Gelegenheit soll der Junge von Mitschülern mit Zetteln tyrannisiert worden sein, auf denen Hakenkreuze aufgemalt waren. Laut Berliner Zeitung soll der Schüler auch wegen seines Körpergewichts gehänselt worden sein. Etliche Schüler haben das Mobbing offenbar über längere Zeit toleriert oder unterstützt.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland teilte am Mittwoch mit, die antisemitischen Übergriffe gegen den Schüler der John-F.-Kennedy-Schule lägen bereits einige Zeit zurück. Leider habe sich die Schule »erst sehr spät und nur unter Druck einer geplanten Veröffentlichung entschieden, die Vorfälle aufzuarbeiten und an die Öffentlichkeit zu gehen«.

Zentralrat Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, sagte: »Antisemitische Vorfälle müssen von den Schulen ernst genommen und dürfen nicht vertuscht werden. Denn wir haben es mit einem gesamtgesellschaftlichen Problem zu tun. Solche Vorfälle finden an allen Schulformen und überall in Deutschland statt. Religiöses Mobbing geht häufig von muslimischen Schülern aus, aber nicht nur. Antisemitismus findet sich unabhängig von der Herkunft in allen Teilen der Gesellschaft.«

Es sei dringend notwendig, einen besseren Überblick über die tatsächliche Lage zu bekommen. Der Zentralrat der Juden unterstütze daher ausdrücklich Überlegungen, ein bundesweites niedrigschwelliges Meldesystem für antisemitische Vorfälle einzuführen, nicht nur für Schulen, sondern generell: »Nur wenn sich die Ist-Situation genau analysieren lässt, kann Antisemitismus wirksam bekämpft werden. Bund und Länder müssen dafür rasch die notwendigen Voraussetzungen schaffen«, sagte der Zentralratspräsident.

Lehrer müssten durch gezielte Fortbildungen in die Lage versetzt werden, auf antisemitische Vorfälle in Schulen angemessen zu reagieren. Hierzu bräuchten sie sowohl den Rückhalt der Schulleitungen als auch der zuständigen Behörden, unterstrich Josef Schuster.

Der Antisemitismus-Beauftragte der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Sigmount Königsberg, bedauerte, »dass wieder einmal antisemitische Angriffe von den Lehrkräften nicht erkannt wurden, keine präventiven Maßnahmen ergriffen wurden und auch nicht interveniert wurde. Dieses Schema treffen wir immer wieder an«, sagte Königsberg am Mittwoch. Dies sei umso gravierender, »weil die JFK eine der Schulen ist, mit denen die Jüdische Gemeinde zu Berlin seit Jahrzehnten kooperiert. Darüber hinaus haben sich Gemeindemitglieder über viele Jahre in den Gremien dieser Schule engagiert«.

Nach den Vorfällen in der Friedenauer Gemeinschaftsschule und deren öffentlichen Aufarbeitung wäre zu erwarten gewesen, dass ein Umdenken an Berliner Schulen begonnen hätte, sagte der Antisemitismus-Beauftragte der Jüdischen Gemeinde weiter. Er stehe von Anfang an mit den Eltern in Kontakt und betreue sie.

konsequenzen Der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, sagte auf Anfrage der Jüdischen Allgemeinen: »Der Vorfall an der John-F.-Kennedy-Schule hat mich schockiert. Er zeigt: Antisemitismus ist oft auch da, wo man ihn überhaupt nicht vermutet.« Er rufe die gesamte Schulgemeinde auf, nun die notwendigen Konsequenzen aus dem Fall zu ziehen und dafür zu sorgen, dass ein derartiges Mobbing nicht mehr vorkomme, so Klein weiter. Zugleich begrüße er es, dass sich die Schulleitung offen zu dem Fall bekannt und Fehler eingeräumt hatte.

Die bilinguale John-F.-Kennedy-Schule wird von zahlreichen Diplomatenkindern besucht. Zu den Eltern gehören viele Angehörige der US-Botschaft. Im Fall des gemobbten Neuntklässlers hatten sich offenbar dessen Eltern an die Antidiskriminierungsbeauftragte der Bildungsverwaltung gewandt.

»Sofort nach Kenntnisnahme des Vorfalls ist die Schulleitung aktiv geworden und ist seitdem im Prozess der Aufarbeitung«, heißt es in der Mitteilung der Schule. Durch die Senatsverwaltung seien sofortige Maßnahmen in die Wege geleitet worden: »Dazu gehörten intensive Gespräche der pädagogischen Mitarbeiter und der Schulleitung mit der betroffenen Klasse wie auch mit einzelnen Schülern.« Auch Treffen mit den Eltern der vermutlich maßgeblich beteiligten Mitschüler hätten bereits stattgefunden.

Schulhilfe-Konferenz Am Mittwoch sei auch eine Schulhilfe-Konferenz mit Vertretern der zuständigen Jugendämter und des schulpsychologischen Dienstes geplant. »Bild« schrieb, am Freitag solle es zudem ein Gespräch mit dem Präventionsbeauftragten der Polizei geben.

Außerdem hat die Schulleitung das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus (JDFA) miteinbezogen. Für das kommende Schuljahr sei eine intensive Werte-Diskussion geplant, in der das Thema »Diskriminierung« einen Schwerpunkt bilden soll. ag

Georg M. Hafner

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