Meinung

Mildernde Umstände für Pius XII.

Geschichte kann trennen, aber verbinden kann sie auch. Staaten, so sagt es eine alte diplomatische Weisheit, haben keine Freundschaften, sie haben Interessen. Und doch ist so etwas wie eine deutsch-französische Freundschaft entstanden, wegen der Geschichte, genauer: wegen des mühsamen, jahrzehntelangen Versuchs, eine jahrhundertealte Geschichte der Feindschaft und des Kriegs durch Kooperation zu überwinden, vom Jugendaustausch bis zu gemeinsamen Kabinettssitzungen. Noch komplizierter ist es beim deutsch-israelischen Verhältnis: Hier trennt die Geschichte – und verbindet zugleich.

Wenn jetzt in der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem die Tafel über den Vatikan und den umstrittenen Papst Pius XII. umgeschrieben wurde, so ist dies wieder ein Beispiel dafür, wie Geschichte trennt – und Geschichtsschreibung im besten Fall sogar versöhnen kann, wenn sie differenziert und genau ist.

Rücksichten Tom Segev hat in der israelischen Tageszeitung »Haaretz« darauf hingewiesen, wie viele Tafeln in Yad Vashem diplomatisch sensibel und jedes einzelne Wort wägend ausformuliert sind, nicht zuletzt mit Rücksicht auf die außenpolitischen Beziehungen des Staates Israel, der dieses Museum betreibt. Wenn Pius XII., der zum Holocaust – sehr wohlwollend ausgedrückt – nur völlig verklausulierte Worte fand, in der Jerusalemer Gedenkstätte nun etwas günstiger wegkommt als zuvor, so dürfte dies auch mit diplomatischen Rücksichten zu tun haben. Schließlich hatten sich Israel und der Vatikan noch vor Kurzem gerade über die Worte auf dieser Tafel ein kleines diplomatisches Scharmützel geliefert.

Aber diese Revision des Textes leistet mehr als einen außenpolitischen Dienst. Sie differenziert die Rolle des Vatikans und Pius XII. Sie bietet nun keine Ja-Nein-Antworten mehr, sondern fordert zum Nachdenken heraus: über einen Papst, der angesichts millionenfachen Mordens mitten im christlichen Europa zwar versagte, weil er nicht die Worte zu einem prophetischen Aufschrei fand – aber dies wahrscheinlich nicht aus unlauteren Motiven tat. Man kann Pius XII. deshalb immer noch verurteilen, weil er den Ruf der Geschichte und wohl auch seines Gewissens nicht hören wollte.

Aber die einfachen Antworten hat man nun nicht mehr. Geschichte kann trennen und verbinden, sie fordert uns aber vor allem heraus, genau hinzuschauen und nachzudenken: über unsere Ahnen, über Täter und Opfer – und über uns. Je differenzierter und genauer wir dies tun, umso mehr lernen wir für die Gegenwart. Es sieht danach aus, dass dies Yad Vashem mit seiner neuen Tafel über Pius XII. gelungen ist.

Der Autor ist Reporter der »tageszeitung«.

Naher Osten

Bericht: Keine Rolle für Tony Blair bei Gaza-Friedensrat

Anstelle Blairs ist der bulgarische Diplomat und ehemalige Nahostgesandte Nickolay Mladenov im Gespräch, wie die »Financial Times« vermeldete

 09.12.2025

Thüringen

Jüdische Landesgemeinde und Erfurt feiern Chanukka

Die Zeremonie markiert den Auftakt der inzwischen 17. öffentlichen Chanukka-Begehung in der Thüringer Landeshauptstadt

 08.12.2025

Frankfurt am Main

Lufthansa Cargo stoppt Militärtransporte nach Israel

Während die politischen Beziehungen zwischen Berlin und Jerusalem eine Annäherung erleben, ist dies im Luftfahrt-Bereich nicht der Fall. Warum?

 08.12.2025

Berlin

Presseschau zum Israel-Besuch von Kanzler Friedrich Merz

Wie bewerten deutsche Leit- und Regionalmedien Merz‘ Antrittsbesuch bei Ministerpräsident Benjamin Netanjahu?

 08.12.2025

Toronto

Miriam Mattova aus Uber geworfen, weil sie Jüdin ist

»Was passiert ist, ist nicht nur ein unangenehmer Moment. Es ist eine Erinnerung daran, warum es wichtig ist, sich zu äußern«, sagt das Model

 08.12.2025

Gaza

Wie die Hamas Hilfsorganisationen gefügig machte

Einer Auswertung von »NGO Monitor« zufolge konnten ausländische Organisationen in Gaza nur Hilsprojekte durchführen, wenn sie sich der Kontrolle durch die Hamas unterwarfen

von Michael Thaidigsmann  08.12.2025

Jerusalem

Ein neuer Sound?

Unterwegs mit Bundeskanzler Friedrich Merz bei seiner Antrittsreise in Israel

von Philipp Peyman Engel  07.12.2025

Jerusalem

Netanjahu: »Stellen Sie sich vor, jemand würde Deutschland vernichten wollen«

Bei der gemeinsamen Pressekonferenz lobte der Premierminister Bundeskanzler Merz als verständigen Gesprächspartner und rechtfertigte Israels hartes Vorgehen gegen die Hamas

 08.12.2025 Aktualisiert

Israel

Berichte: Netanjahu traf Blair heimlich zu Gaza-Zukunft

Bei einem Treffen zwischen Netanjahu und Blair soll es um Pläne für die Zukunft des Gazastreifens gegangen sein. Für Blair ist eine Rolle in Trumps »Friedensrat« vorgesehen

 07.12.2025