Meinung

Menora und Rentierschlitten

Michael Wuliger Foto: Marco Limberg

Unter mindestens Europarekord tut’s der Berliner nicht. Deshalb ist die Menora am Brandenburger Tor natürlich die größte des Kontinents. Entzündet hat sie vorige Woche Bundesinnenminister Thomas de Maizière, begleitet vom neuen Regierenden Bürgermeister der Hauptstadt, Michael Müller.

front national In Frankreich hätten die beiden Politiker sich damit Ärger eingehandelt. Der Bürgermeister der südfranzösischen Stadt Béziers, Robert Ménard, jedenfalls hat momentan Stress mit Linken und Laizisten, weil er im Rathaus eine Chanukkia aufgestellt hat. Zuvor hatte Ménard, der im Frühjahr auf der Liste des rechtsextremen Front National gewählt wurde, im Rathaus eine Weihnachtskrippe errichten lassen. Beides, so die Kritiker, verstoße gegen das Verfassungsgebot der Trennung von Staat und Religion.

Sie berufen sich dabei auf das Urteil eines Verwaltungsgerichts von Anfang Dezember, das aus diesem Grund Krippen in öffentlichen Gebäuden untersagt hatte. Dagegen laufen seitdem Politiker der gemäßigten Konservativen wie der extremen Rechten Sturm, und stellen demonstrativ in ihren Rathäusern das christliche Weihnachtssymbol auf. Der Front-National-Mann in Béziers wollte mit der Menora wohl noch provokativ einen draufsetzen. Exzesssiver Philosemitismus wird’s bei seiner politischen Ausrichtung wohl weniger gewesen sein.

nebbich Ist das nun, um die beliebte Kernfrage zu stellen, gut oder schlecht für die Juden? Die Antwort lautet: Nebbich. Weihnachten ist, bei (Kerzen-)Licht betrachtet, schon lange kein christliches Fest mehr. Jesus, Maria und Josef sind als Symbole längst vom Weihnachtsmann und Rudolf, dem rotnasigen Rentier (übrigens eine jüdische Schöpfung), abgelöst worden.

Ähnliches gilt, seien wir ehrlich, auch für Chanukka: Im wirklichen jüdischen Leben geht’s mehr um Sufganiot und Latkes als um Wunderöl und Makkabäer. Die Laizisten sollten sich also abregen. Die meisten Franzosen und Deutschen, auch wenn sie nominelle Christen sind, kennen den religiösen Hintergrund der Weihnachtskrippe wahrscheinlich eh nicht mehr. Ihnen geht es wie dem kleinen Moritz in dem alten jüdischen Witz, der eine Krippenszene von Rembrandt sieht und kommentiert: »Versteh einer die Gojim! Kein Geld für’s Hotel, kein Hemd auf dem Tuches, aber sich porträtieren lassen!«

Europäische Union

»Europa muss sein eigenes Judentum wieder wertschätzen«

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigt finanzielle Unterstützung für Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem an

 09.06.2023

Judenhass

Einstufung Samidouns als Terrorgruppe gefordert

Antisemitische Demonstrationen und Plakate: Für den israelischen Botschafter Ron Prosor ist das Maß voll

 09.06.2023

Twitter

Arbeitsauftrag an die Neue - aber nicht von Musk

Antisemitismusbeauftragte fordern von der neuen Chefin Linda Yaccarino ein energischeres Handeln gegen Hass

von Michael Thaidigsmann  09.06.2023

Berlin-Neukölln

Staatsschutz ermittelt wegen Volksverhetzung

Judenfeindliche und den Terror verherrlichende Plakate rufen die Behörden auf den Plan

 08.06.2023

Schleswig-Holstein

Karin Prien wehrt sich gegen Rassismusvorwurf

Die Ministerin steht wegen einer Äußerung über ihre Kabinettskollegin Aminata Touré in der Kritik

 08.06.2023 Aktualisiert

Populismus

Aus Protest?

Viele Erklärungen für das Umfragehoch der AfD greifen zu kurz. Wer die Partei wählt, weiß meist genau, was er tut

von Marcel Lewandowsky  08.06.2023

Interview

»Riesenschritt nach vorn«

Makkabi-Kapitän Doron Bruck über den Einzug des Berliner Oberligisten in den DFB-Pokal

von Michael Thaidigsmann  08.06.2023

Einspruch

Die Mutter aller Dialoge

Dmitrij Belkin freut sich auf die christlich-jüdischen Gespräche beim Evangelischen Kirchentag in Nürnberg

von Dmitrij Belkin  08.06.2023

Sicherheit

Anastasia-Bewegung in Brandenburg rechtsextremer Verdachtsfall

Innenministerium: In Teilen völkische, rassistische und antisemitische Ideologie

 07.06.2023