Unter den Bediensteten der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern sind innerhalb von drei Jahren 327 Mitarbeiter aufgefallen, die Bezüge zum Rechtsextremismus oder zur Szene der sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter haben. Das geht aus dem zweiten Lagebericht zu »Rechtsextremisten in den Sicherheitsbehörden« hervor, den Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang, am Freitag in Berlin vorstellten.
»Wir lassen nicht zu, dass unser demokratischer Rechtsstaat von innen heraus von Rechtsextremisten sabotiert wird«, sagte Faeser. »Wenn die Integrität der Sicherheitsbehörden beschädigt wird, dann ist dies besonders gefährlich für Rechtsstaat und Demokratie. Daher muss jeder Extremismusfall klare Konsequenzen haben.«
Die Ministerin kündigte an, »in Bund und Ländern alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen – und dort, wo es nötig ist, die rechtlichen
Instrumente nachschärfen. Einen Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesdisziplinargesetzes werde ich noch in diesem Jahr vorlegen.« Verfassungsfeinde würden schneller als bisher aus dem öffentlichen Dienst entfernt, so Faeser.
Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang sagte: »Für Rechtsextremisten, ›Reichsbürger‹ und ›Selbstverwalter‹ ist kein Platz in Sicherheitsbehörden. Solche Vorfälle erschüttern das Vertrauen in unseren Staat und sind ein Schlag ins Gesicht für diejenigen Beschäftigten, die fest mit beiden Füßen auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen.« Der Lagebericht sei das Ergebnis einer »gelungenen Zusammenarbeit der beteiligten Landes- und Bundesbehörden und bietet eine einheitliche, valide und vergleichbare Datenbasis«, so Haldenwang.
»Heil-Hitler«-Rufe Der Bericht betrachtet den Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis zum 30. Juni 2021. Beobachtet wurde beispielsweise die Teilnahme an extremistischen Veranstaltungen oder »Heil-Hitler«-Rufe.
Auch wenn einige Akteure gemeinsam in Chatgruppen aktiv waren, in denen rechtsextremistische Inhalte geteilt wurden, liefert der Bericht keine Hinweise auf ein überregionales Netzwerk von Extremisten aus verschiedenen Sicherheitsbehörden. Was dem Verfassungsschutz, der die Informationen zusammengetragen hat, allerdings auffiel, sind die zahlreichen Verbindungen der als Rechtsextremisten eingestuften Mitarbeiter zu extremistischen Akteuren und Parteien sowie zu Organisationen der Hooligan- und Kampfsportszene, die dem »subkulturellen Rechtsextremismus« zugerechnet werden.
Den Angaben zufolge waren im Erhebungszeitraum die Aktivitäten von insgesamt 860 Bediensteten betrachtet worden. In 38 Prozent der bewerteten Fälle lagen laut Bericht die Voraussetzungen für eine weitere nachrichtendienstliche Bearbeitung vor.
Bundeswehr Im Geschäftsbereich des Militärischen Abschirmdienstes, der rund 242 000 Soldaten der Bundeswehr und Zivilbeschäftigte umfasst, wurden 83 Rechtsextremisten festgestellt. Bei der Bundespolizei mit ihren heute mehr als 54 000 Mitarbeitern fielen 18 Rechtsextremisten auf. Beim Zoll waren es laut Bericht vier rechtsextremistische Mitarbeiter, beim Bundeskriminalamt zwei, beim Bundesamt für Verfassungsschutz, dem Bundesnachrichtendienst und der Bundestagspolizei war es jeweils ein Mitarbeiter.
Hinzu kommen insgesamt 30 Verdachtsfälle und erwiesene Extremismusfälle von Bediensteten der Sicherheitsbehörden des Bundes, die der Szene der »Reichsbürger« und Selbstverwalter zugerechnet werden. Die sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter zweifeln die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland an. Sie weigern sich oft, Steuern zu zahlen. Die Sicherheitsbehörden rechneten der Szene zuletzt rund 19 000 Menschen zu.
»Das Ergebnis des neuen Lageberichts ist besorgniserregend.«
Zentralratspräsident Josef Schuster
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster, nannte das Ergebnis des neuen Lageberichts besorgniserregend. »Jeder Fall eines Rechtsextremisten oder Reichsbürgers in den Sicherheitsbehörden ist ein Fall zu viel. Gerade den Sicherheitsbehörden kommt eine besondere Verantwortung zu. Denn Beschäftigte der staatlichen Sicherheitsbehörden sollen unsere Demokratie, den Rechtsstaat und unsere plurale Gesellschaft schützen.«
Er sei, so Schuster, Bundesinnenministerin Faeser dankbar, »dass sie den Kampf gegen Rechtsextremismus ganz oben auf ihre Agenda gesetzt hat«. Sowohl bei der Auswahl der Mitarbeitenden als auch im weiteren Tätigkeitsverlauf müsse genau hingeschaut werden, forderte Schuster. »Aus- und Fortbildungen zur Sensibilisierung der Mitarbeitenden können ein weiterer wichtiger Baustein sein.« dpa/ja