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Lex Facebook

»Ich denke, daran müssen wir arbeiten«: Facebook-Chef Mark Zuckerberg kennt das Problem rassistischer Hetze im Netz. Foto: dpa

Es ist ein bisschen, als würde man den Wirt dafür verantwortlich machen, dass auf den Toilettenwänden seiner Gaststätte kriminelle Schmierereien zu finden sind. Natürlich wirft es ein schlechtes Licht auf sein Etablissement, wenn der Hausherr sich nicht ums Inventar kümmert, aber der Straftäter ist der Vandale, nicht der Wirt.

Entsprechend scheint es überzogen, wenn der israelische Innenminister Gilad Erdan, wie kürzlich geschehen, den Facebook-Gründer Mark Zuckerberg persönlich für die palästinensischen Gewaltexzesse in Israel mitverantwortlich macht. Zuckerberg habe Blut an den Händen, sagte der Likud-Politiker nach dem Mord an der 13-jährigen Hallel Yaffa Ariel, die im Schlaf von einem palästinensischen Attentäter im Kinderzimmer ihres Elternhauses ermordet wurde.

monster Wie auch andere Terroristen zuvor hatte der Täter seinen Wunsch, als »Märtyrer« für die palästinensische Sache zu sterben, mehrfach auf Facebook gepostet. »Facebook, das der Welt eine positive Revolution beschert hat, ist zu einem Monster geworden«, sagte Erdan im israelischen Fernsehen. Das Soziale Netzwerk unternehme nicht genug, um terroristische Inhalte von seiner Plattform zu entfernen, und behindere zudem die Arbeit der Sicherheitsdienste. So trage der Konzern dazu bei, dass sich palästinensische Jugendliche radikalisieren, und verweigere zudem die Zusammenarbeit mit israelischen Sicherheitsbehörden im Westjordanland.

Die israelische Journalistin Lital Shemesh hält in »Israel Hayom« dagegen. Zuckerberg sei selbstverständlich nicht für den Hass und den Terror gegen Juden und Israelis verantwortlich, aber er tue auch nicht genug gegen die Verbreitung von entsprechenden Posts, Kommentaren oder Videos auf seiner Plattform.

Ein Blick unter den Stichwörtern »Israel« und »Jews« auf Facebook oder Instagram, das auch zum Unternehmen gehört, zeigt das eindrücklich: Hetze gegen Juden und den jüdischen Staat, Mordaufrufe gegen israelische Politiker und jüdische Zivilisten, bis hin zu konkreten Anleitungen und Aufforderungen zu Messerattacken auf Israelis, wie sie in den vergangenen Monaten Dutzende Tote und Verletzte forderten. Lital Shemesh selbst hat Facebook schon mehrfach auf entsprechende Inhalte hingewiesen, die Tausende von »Likes« hatten. In den meisten Fällen habe sich das Unternehmen geweigert, diese zu löschen, sagt sie.

hasspropaganda Nach Angaben der »National Union of Israeli Students« würden nur 26 Prozent der bei Facebook, Instagram und Twitter wegen antisemitischer Inhalte angezeigten Posts entfernt. Ein Versuch des »Israel Law Center« verstärkt zudem den Eindruck, dass Facebook einseitig handelt. Die Organisation hatte im Dezember vergangenen Jahres zwei Facebook-Seiten ins Leben gerufen. Eine mit pro-israelischen und eine weitere mit pro-palästinensischen Inhalten. Auf beiden Seiten veröffentlichte die Organisation gewaltverherrlichende Hasspropaganda gegen die jeweils andere Konfliktpartei. Anschließend meldete man beide Seiten aufgrund von Verstößen gegen die Nutzungsbedingungen bei Facebook, woraufhin lediglich die pro-israelische Seite gelöscht wurde.

Facebook sieht sich hier vor einem Dilemma. Einerseits fordern Nutzer und Institutionen, das Unternehmen solle entschiedener gegen kriminelle Inhalte vorgehen. Andererseits steht der Konzern permanent im Verdacht, durch seinen Algorithmus und das Entfernen von Posts Inhalte zu zensieren und so die öffentliche Meinung einseitig zu beeinflussen.

Israel will diesem Problem nun juristisch entgegentreten und Facebook mit einem neuen Gesetz dazu zwingen, im Fall einer Gefährdung für die öffentliche Sicherheit besser zu kooperieren. Kritiker behaupten, es handle sich dabei lediglich um ein Ablenkungsmanöver der israelischen Politik, der es bisher nicht gelungen sei, die Sicherheitslage im Land unter Kontrolle zu bringen. Andere Länder wie Australien und die USA hingegen haben bereits derartige Gesetze, weshalb US-Angehörige israelischer Terroropfer nun versuchen, Facebook in den USA zur Rechenschaft zu ziehen.

justiz Juristische Maßnahmen allein gegen die Plattformbetreiber werden das grundsätzliche Problem hingegen nicht lösen. Wie die beschmierte Toilettenwand spiegelt das Verhalten der Menschen in den Sozialen Medien immer auch einen Teil unserer Gesellschaft wider. Politik und Justiz müssen daher endlich beginnen, den existierenden juristischen Rahmen voll auszuschöpfen, um gegen die tatsächlichen Urheber der Gewalt vorzugehen.

Wenn bestehende Gesetze den Anforderungen des digitalen Wandels nicht mehr gerecht werden, müssen diese neu formuliert werden – unabhängig davon, welcher Technologiekonzern gerade den Markt beherrscht und auf welche Art Menschen kommunizieren. Und auch Mark Zuckerberg, der versprochen hat, mithilfe von Facebook die Welt zu verbessern, wird sich an seinen Worten messen lassen müssen.

Der Autor ist Journalist in Zürich.

Plön

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