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Knessetwahl: Tel Aviv ist nicht Israel

Shimon Stein Foto: Gregor Zielke

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Knessetwahl: Tel Aviv ist nicht Israel

Die falschen Prognosen von Presse und Demoskopen zeigen auf, wie polarisiert das Land ist

von Shimon Stein  23.03.2015 18:14 Uhr

Die Überraschung kam am nächsten Morgen: Benjamin Netanjahu und sein Likud hatten die Knessetwahl gewonnen, und alle wunderten sich. Es war doch anderes vorhergesagt gewesen, und nun müssen sich gerade die Medien und die Demoskopen der Kritik stellen.

Denn tatsächlich hat sich ein langfristiger Trend in der israelischen Gesellschaft bestätigt: Die israelische Wählerschaft tickt rechts. Die Parteien rechts der Mitte haben die Mehrheit, weil es bei den Wählern ein Bedürfnis nach Bewahrung ihrer jüdischen Identität gibt. Nur Parteien, die die Befriedigung dieses Bedürfnisses versprechen, können mit Zustimmung rechnen. Benjamin Netanjahu hat dies erkannt: Er hat einerseits Ängste geschürt, andererseits diese Sehnsucht nach Identität befriedigen können.

versagen Wie tief der gesellschaftliche Wandel in Israel ist, lässt sich auch am »Versagen« der Presse und der Demoskopie zeigen. Es gibt in vielen Köpfen immer noch das dominierende Bild eines Israels, für das Tel Aviv steht: weltoffen, liberal, säkular. Aber das hat mit jüdisch-religiöser Identität in Israel nicht viel zu tun, und es ist für die Mehrheit der Israelis nicht entscheidend.

Der Fehler der Medien – vor allem von Blättern wie Yedioth Ahronoth und Haaretz, aber auch der Sozialen Medien – war, dass sie die Bedeutung der Kultur, für die Tel Aviv steht, überschätzt haben. Über ihre klassische Aufgabe, zu berichten hinaus wurden die Medien selbst zum Player und ergriffen Partei gegen Netanjahu, denn sie schätzten die Gesellschaft völlig falsch ein. Sie glaubten, das Modell Tel Aviv, dem sie selbst entspringen, habe im ganzen Land Strahlkraft; weil Netanjahu dafür nicht steht, glaubten die Medien, ihn verhindern zu können.

Noch deutlicher wird das Missverständnis, schaut man sich die Demoskopen an. Alle drei israelischen Institute präsentierten fast identische Zahlen, noch bei der Prognose am Wahlabend. Man kann Absprache vermuten, aber realistischer ist wohl, dass sich die Sozialforscher einfach ein falsches Bild der Gesellschaft gemalt hatten: Die Personen, die sie befragten, waren nicht repräsentativ für Israel, sondern entsprachen nur der Vorstellung Israels in den Köpfen der Demoskopen.

Die erste Botschaft dieser Knessetwahl ist, dass die israelische Gesellschaft polarisiert ist, sehr stark ethnisch denkt und rechts tickt, weil sie sich nach Identität sehnt. Die zweite Botschaft lautet, dass die Medien diese grundlegende Botschaft nicht verstanden haben.

Der Autor war von 2001 bis 2007 Israels Botschafter in Berlin und ist nun Senior Fellow am Institut für Studien zur Nationalen Sicherheit an der Universität Tel Aviv.

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