Felix Klein, der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, hat den 7. Oktober als »Gelegenheitsstruktur« für Judenhasser bezeichnet. »Menschen, die immer schon antisemitisch denken, nehmen den 7. Oktober als Gelegenheit wahr, um das zu äußern, was sie denken – im Glauben, ihr Tun erfährt in dieser Lage besonders breite Zustimmung«, erklärte Klein in einem Interview mit der »Welt«.
»Wenn man bedenkt, dass der 7. Oktober der Tag war, an dem so viele Juden wie nie zuvor seit der Schoa ermordet wurden, dann ist es an Absurdität nicht zu überbieten, dass sich ausgerechnet nach diesem Ereignis der Antisemitismus auch noch radikalisiert und zunimmt«, sagte er.
Antisemitische Proteste in der Bundesrepublik, darunter solche, die an Unis stattfänden, hätten eine neue Virulenz erreicht, meinte der Antisemitismusbeauftragte. »Gerade im akademischen Milieu, wo man eigentlich gewohnt sein sollte, differenziert zu denken, werden Zwischentöne und andere Sichtweisen zu häufig nicht mehr respektiert. Das empfinde ich als einen dramatischen Verfall der politischen Debatte.«
»Fehlgeleitete Langzeitwirkung«
Was an den Universitäten geschehe, lässt sich laut Felix Klein als »eine fehlgeleitete Langzeitwirkung der sogenannten postkolonialen Theorie« deuten, deren Vertreter häufig eine simple Einteilung in Täter und Opfer vornähmen: In den Juden sähen sie immer die Täter und in den Palästinensern grundsätzlich die Opfer – gleichgültig, was geschehen
sei.
»Die Proteste an den Unis verkörpern diese Ideologie. Ich bin schockiert darüber, welche Ausmaße das an den Hochschulen angenommen hat, vor allem auch, dass diese Weltanschauung mehr und mehr bis in die bürgerliche Mitte der Gesellschaft hineinreicht«, so Klein in der »Welt«.
Auch kritisierte Klein Allianzen von gesellschaftlichen Gruppierungen und Extremisten, die sich gebildet hätten. Rechtsextreme und Linksextreme oder Islamisten und »vermeintlich progressive Gruppen« kooperierten. »Den Rechtsextremismus, Islamismus und türkischen Nationalismus
vereint etwa ideologisch die Ablehnung der Errungenschaften der modernen, westlichen Welt.« Auch Hass auf Israel und Juden sei hier verbreitet.
»Cows for McDonald’s«
Über die Bewegung »Queers for Palestine« sprach der Antisemitismusbeauftragte ebenfalls: Ein Teil der queeren Bewegung
gehöre »zum antiimperialistischen und dogmatischen Spektrum der linksextremistischen Szene, die sich massiv auf die antiisraelische Agitation« konzentriere. Zu allem Übel verharmlose sie den Islamismus im Allgemeinen, den Terror der Hamas und der Hisbollah im Besonderen.
»Auch verdrängt sie, dass eine queere Person unter einer Hamas-Regierung nicht akzeptiert, in letzter Konsequenz sogar getötet werden würde. Der Slogan ›Queers for Palestine‹ entspricht in etwa der Logik
von ›Cows for McDonald’s‹«, sagte Klein – in Anlehnung an ein ähnliches Zitat von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. im