Interview

»Klares Zeichen«

Annegret Kramp-Karrenbauer Foto: dpa

Interview

»Klares Zeichen«

CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer über jüdisches Leben in Deutschland, Judenhass und Sanktionen gegen Israel

von Detlef David Kauschke  16.07.2020 08:57 Uhr

Frau Kramp-Karrenbauer, noch bis zum 17. Juli veranstaltet die CDU die Aktionswoche »Von Schabbat zu Schabbat«. Zum dritten Mal. Worum geht es diesmal?
Mit »Von Schabbat zu Schabbat« setzt die CDU Deutschlands jedes Jahr ein deutliches Zeichen für die Vielfalt jüdischen Lebens in Deutschland. Die CDU stellt sich ganz klar gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus. In diesem Jahr nutzen wir für die Aktionswoche besonders viele Digitalformate. Wir freuen uns, dass das Interesse an »Von Schabbat zu Schabbat« wieder sehr groß ist. Viele Menschen haben zum Beispiel bereits das Live-Konzert mit Vivien Kanner und Maxim Shagaev sowie mein Gespräch mit dem Präsidenten des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, live im Netz verfolgt.

Bei dieser Aktionswoche liege ein besonderer Fokus auf der Vielfalt jüdischen Lebens, heißt es. Was bedeutet das?
Jüdisches Leben gehört zu Deutschland dazu. Jüdinnen und Juden sind in Deutschland tief verwurzelt. Wir wollen diese Vielfalt sichtbar machen und ein stärkeres Bewusstsein dafür schaffen, dass jüdisches Leben ein wertvoller und wunderbarer Beitrag zu unserem gesellschaftlichen Zusammenleben ist. Eine Erfahrung, die ich bei spannenden Begegnungen mit jungen Jüdinnen und Juden hatte, war, dass sie von sich selbst gesagt haben: Wir sind so viel mehr und wollen nicht nur reduziert werden auf die Frage der Schoa oder auf aktuelle politische Entwicklungen in Israel, wir bringen etwas ganz Eigenes mit ein. Diesen optimistischen und selbstbewussten Ansatz transportieren wir auch mit der CDU-Ak-
tionswoche »Von Schabbat zu Schabbat«.

2018 hieß es, die Aktionswoche sei nach jüngsten judenfeindlichen Angriffen in Deutschland ins Leben gerufen worden. Diese haben deutlich zugenommen. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Die gravierende Zunahme von Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Deutschland, die auch der jüngste Verfassungsschutzbericht zeigt, ist beschämend. Der Verfassungsschutzbericht zeigt gleichzeitig, dass es eine erhöhte Sensibilität und eine erhöhte Bereitschaft gibt, diese Fälle zur Anzeige zu bringen. Wir müssen und werden wirklich genau hinschauen, um Hintergründe, Netzwerke und Hintermänner wie auch die verbale Verrohung im Internet zu entlarven und ganz konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus vorzugehen.

Bundesinnenminister Seehofer hat bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes in der vergangenen Woche betont, das Rechtsextremismus die größte Bedrohung für die Sicherheit in Deutschland ist. Sehen Sie das genauso?
Ich teile diese Auffassung. Deswegen ist es unser aller Aufgabe, konsequent gegen diese Tendenzen vorzugehen. Gerade wir müssen besser als irgendjemand auf der Welt wissen, wohin Rechtsextremismus führt und wie zerstörerisch er ist. Wir müssen an der Spitze derjenigen stehen, die gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus vorgehen.

Sie haben Antisemitismus als »Angriff auf die Demokratie« bezeichnet. Ist die in Gefahr?
Wer gegen unsere Verfassung kämpft, kämpft gegen unsere demokratische Grundordnung. Der Kampf gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus ist in einer wehrhaften Demokratie eine Daueraufgabe. Besonders sensibel ist der Bereich der Sicherheitsbehörden. Die Bundeswehr, die Polizei, alle Sicherheitsbehörden stehen in besonderem Maße für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ein. Die weit überwiegende Mehrheit der Soldatinnen und Soldaten, der Polizistinnen und Polizisten zeigt eine vorbildliche Haltung zur Demokratie. Gerade um diese große Mehrheit unserer Soldatinnen und Soldaten, unserer Polizistinnen und Polizisten und um das Vertrauen in sie zu schützen, gehen wir mit aller Härte und Konsequenz gegen Fälle von Rechtsextremismus und Antisemitismus vor.

Ist auch in diesem Sinne die Einrichtung der jüdischen Militärseelsorge in der Bundeswehr ein wichtiger Schritt?
Die Unterzeichnung des Vertrags über die jüdische Militärseelsorge und die Debatte im Deutschen Bundestag waren für mich persönlich sehr bewegende Momente. Nach 100 Jahren wird es wieder Militärrabbiner in Deutschland geben. Wir machen damit deutlich, dass wir in der Bundeswehr für unsere jüdischen Soldatinnen und Soldaten da sind, dass sie es verdient haben, dass sie in ihrem eigenen Glauben begleitet werden. Die Militärseelsorge stand auch in der Vergangenheit allen Soldatinnen und Soldaten offen. Das wird auch bei der jüdischen Militärseelsorge so sein. Das wird auch die Chance eröffnen, Kontakte zu allen anderen Soldatinnen und Soldaten zu knüpfen und auch hier zu zeigen, was jüdisches Leben eben auch in der Bundeswehr bedeutet.

Zum Auftakt der Aktionswoche 2018 verurteilten Sie Boykottaufrufe gegen Israel. Nun werden im Zusammenhang mit möglichen Annexionsplänen Israels Sanktionen gegen den jüdischen Staat diskutiert. Verurteilen Sie das ebenfalls?
Ich kann mir vor dem Hintergrund unserer Geschichte nicht vorstellen, dass von Deutschland Initiativen für Sanktionen gegen Israel ausgehen. Gleichzeitig ist bekannt, dass die deutsche Regierung dazu rät, von möglichen Annexionsplänen Abstand zu nehmen.

In der Bundestagsdebatte am 1. Juli hat Jürgen Hardt für Ihre Fraktion diese Position vertreten und gesagt, er glaube, dass die israelische Regierung diesen Ratschlag ertragen kann. Was sagen Sie denen, die meinen, dies sei eine Vorverurteilung und eine einseitige Darstellung, wenn Israel als Gefahr für die Stabilität im Nahen Osten dargestellt wird?
Für die CDU gilt, was die Kanzlerin gesagt hat: Die Sicherheit Israels ist Teil der deutschen Staatsräson. Wir stehen unverbrüchlich zur Sicherheit und dem Existenzrecht Israels. Auch sind wir uns der besonderen Bedrohungslage Israels sehr bewusst. Aber wir können unter Freunden selbstverständlich heute eben auch strittig darüber diskutieren, welche Maßnahmen der Sicherheit am besten dienen.

Mit der Vorsitzenden der CDU Deutschlands sprach Detlef David Kauschke.

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