Jüdische Gemeinde Berlin

Streit über Wahlen eskaliert einmal mehr

Aus Protest gegen den Vorsitzenden Joffe zieht das Oppositionsbündnis Tikkun seine Kandidaten zurück

 16.08.2023 13:50 Uhr

Foto: imago/Peter Sandbiller

Aus Protest gegen den Vorsitzenden Joffe zieht das Oppositionsbündnis Tikkun seine Kandidaten zurück

 16.08.2023 13:50 Uhr

In der Jüdischen Gemeinde zu Berlin ist der Konflikt über die geplante Wahl zur Repräsentantenversammlung einmal mehr eskaliert. Aus Protest gegen die Linie des Vorsitzenden Gideon Joffe zog das Oppositionsbündnis Tikkun seine Kandidaten von der bis zum 3. September laufenden Wahl zurück. Diese sei unter den gegebenen Umständen illegal, hieß es in einer Mitteilung vom Dienstag. Joffe wies die Vorwürfe zurück.

Das Gericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland hatte die Wahl der Gemeindevertreter wegen massiver Bedenken gegen die Wahlordnung untersagt. Die Gemeindeführung um Joffe hatte jedoch angekündigt, sich darüber hinwegzusetzen und die Wahl trotzdem abzuhalten. Joffe sagte, das Gericht des Zentralrats habe im Fall der Wahlordnung keine Zuständigkeit, sondern das Schiedsgericht der Gemeinde.

Das Oppositionsbündnis Tikkun erklärte, schon einen Tag vor Ablauf der Rechtsmittelfrist am 11. August seien »in bewusster Missachtung der Gerichtsentscheidung die Wahlunterlagen an die Gemeindemitglieder übersandt« worden. Joffe versuche, Fakten zu schaffen. Tikkun Berlin erkenne hingegen die Gerichtsentscheidung des Zentralrats an.

»Hiermit erklären die zugelassenen Kandidatinnen und Kandidaten, dass sie für die illegalen Wahlen nicht zur Verfügung stehen«, hieß es. Auf der öffentlichen Wahlliste der Gemeinde stehen vier Kandidatinnen und Kandidaten von Tikkun.

Das Bündnis warf der Jüdischen Gemeinde auch versuchte Manipulation der Wahl vor. Dabei geht es um Fotos und Zeugenaussagen, die belegen sollen, dass Mitarbeiter der Gemeinde ältere Mitglieder aufgesucht und beim Ausfüllen des Briefwahl-Zettel beeinflusst haben sollen.

Die Vorwürfe wies der Vorsitzende Joffe im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur kategorisch zurück. Die Gemeinde habe etwa 500 Mitarbeiter. Er habe nur von einem einzigen Fall gehört, und dabei sei definitiv nicht im Auftrag des Vorstands gehandelt worden. »Wir werden diesen konkreten Vorfall recherchieren«, sagte Joffe.

Die größte jüdische Gemeinde Deutschlands gilt seit längerem als heillos zerstritten. So kam es auch zu dem Verfahren vor dem Gericht des Zentralrats. Zwei Mitglieder hatten gegen neue Vorgaben zur Wahl der Repräsentantenversammlung Beschwerde eingelegt.

Die Kritik richtete sich unter anderem gegen eine neue Altersgrenze von 70 Jahren für Kandidatinnen und Kandidaten. Zudem soll die Tätigkeit für bestimmte andere jüdische Organisationen ein Grund sein, von einer Kandidatur ausgeschlossen zu werden. Ein weiterer Kritikpunkt: Die Wahl soll als reine Briefwahl stattfinden.

Auf Anfrage sagte der Berliner Rechtsanwalt Nathan Gelbart, der mehrere Kläger gegen die Jüdische Gemeinde vertritt, darunter auch die Ex-Vorsitzende Lala Süsskind: »Die von der Jüdischen Gemeinde zu Berlin geäußerte Rechtsansicht ist unzutreffend. Der bei ihr eingerichtete Schiedsausschuss ist nicht für die Festellung der Nichtigkeit der Wahlordnung zuständig.«

Im übrigen obliege die Entscheidung über die gerichtliche Zuständigkeit nicht einer Prozesspartei, sondern dem angerufenen Gericht. Das Gericht beim Zentralrat habe sich eindeutig für zuständig erklärt und dies ausführlich begründet. »Dass der im Rechtsstreit unterlegenen Jüdischen Gemeinde zu Berlin das nicht schmeckt, überrascht nicht«, so Gelbart.

»Jedoch ist ein Gerichtsverfahren kein Wunschkonzert. Es ist bedauerlich, dass die Jüdische Gemeinde zu Berlin meint, sich die Urteile, die sie anerkennt, selbst aussuchen zu dürfen.«

Damit zeige die Jüdische Gemeinde zu Berlin der Gerichtsbarkeit beim Zentralrat die rote Karte, betont Gelbart. Und weiter: »Das Präsidium des Zentralrates wird wissen, wie es auf die Provokation politisch zu reagieren hat.« dpa/ja

Präsident des Internationalen Auschwitz Komitees

Marian Turski ist gestorben

Noch Ende Januar mahnte Turski: »Unsere Tage, die der Überlebenden, sind gezählt: Aber wir werden nicht verstummen, wenn Sie, Sie alle nicht schweigen.«

 18.02.2025

Ukraine

»Sie haben uns von allem befreit«

Wie haben sich drei Jahre Krieg auf die Juden in der Ukraine ausgewirkt?

von Michael Gold  18.02.2025

Interview

Haben Sie genug für Israel und für Juden in Deutschland getan, Herr Bundeskanzler?

Olaf Scholz (SPD) über die deutsche Staatsräson, seine Grünen-Koalitionspartner und die Bilanz der Ampel-Regierung bei jüdischen Themen

von Mascha Malburg, Philipp Peyman Engel  18.02.2025

KZ-Gedenkstätte Buchenwald

Mehr Gegenstände aus Menschenhaut

Verstörende Erkenntnisse des Kriminalbiologen Mark Benecke im früheren Konzentrationslager

 18.02.2025

Nahost

Tausende erinnern an Schicksal der Hamas-Geiseln

Die Menschen demonstrieren für die seit 500 Tagen im Gazastreifen leidenden Verschleppten. Einer, der erst kürzlich die Freiheit wiedergewann, sagt: Viel Zeit haben die anderen nicht mehr

 18.02.2025

Interview

»Wir müssen die Probleme lösen, die die AfD groß gemacht haben«

Christian Lindner über Abstimmungen mit der AfD, deutsche Finanzhilfen an die Palästinenser und Renten für Schoa-Überlebende

 17.02.2025

Bundestagswahl

Schuster: Jüdisches Leben wäre durch AfD-Regierung bedroht

Auch das europäische Ausland blickt gespannt auf die Wahl in Deutschland. Was eine Machtbeteiligung der AfD für jüdisches Leben bedeuten könnte, hat jetzt Zentralratspräsident Schuster in Italien gesagt

von Ludwig Ring-Eifel  17.02.2025

Bundestagswahl

»Die Bürger haben ihr Urteil über die Ampel längst gefällt«

Der Wahlforscher Stefan Merz von Infratest dimap über die Stimmungslage eine Woche vor der Bundestagswahl

von Michael Thaidigsmann  17.02.2025

Bundestagswahl

Zentralrat der Juden mahnt zur Kompromissfähigkeit

Josef Schuster schreibt der kommenden Legislaturperiode des Bundestags »eine Schlüsselrolle für unsere Demokratie« zu

 17.02.2025