Interview

Josef Schuster: AfD nutzt Juden als Feigenblatt

Zentralratspräsident : Die Partei gebärdet sich »nur zerstörerisch und gegen diese Demokratie gerichtet«

 10.02.2021 08:30 Uhr

Zentralratspräsident Josef Schuster Foto: ZR

Zentralratspräsident : Die Partei gebärdet sich »nur zerstörerisch und gegen diese Demokratie gerichtet«

 10.02.2021 08:30 Uhr

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, geht davon aus, dass die AfD sich nur aus taktischen Gründen »besonders proisraelisch« zeigt. »Das ist nicht nur billig. Das ist verachtenswert. Das Interesse der AfD an Juden reicht nicht weiter, als uns als Feigenblatt zu nutzen für die eigene Demagogie«, sagte Schuster in einem Interview mit der »Süddeutschen Zeitung« (Mittwoch).

VORURTEIL »Wenn einige, sehr wenige, jüdische Menschen sich dafür als Grüppchen namens »Juden in der AfD« zur Verfügung stellen, dann widerlegt das jedenfalls das alte Vorurteil, dass alle Juden schlau sind.«

Der Zentralrat ist Schuster zufolge nicht in Gesprächen mit der Partei. »Wenn führende Politiker dieser Partei eine »Wende in der Erinnerungspolitik um 180 Grad« fordern, das Holocaust-Mahnmal als »Mahnmal der Schande« beschimpfen und die NS-Zeit als »Vogelschiss« bezeichnen, gibt es keine Basis dafür«, sagte Schuster.

Die AfD gebärde sich seines Erachtens nach »nur zerstörerisch und gegen diese Demokratie gerichtet«.

Zugleich verwahrt sich der Zentralratspräsident gegen Kritik aus Kulturinstitutionen wie dem Goethe-Institut, dem Deutschen Theater und der Bundeszentrale für politische Bildung, Kritik an Israel werde hierzulande unterdrückt und vorschnell als antisemitisch tabuisiert.

BDS »Wir leben zum Glück in einer Demokratie; da kann man grundsätzlich alles sagen«, sagte Schuster. Niemand verbiete, über Zionismus zu diskutieren. Niemand verbiete, über die umstrittene Kampagne für »Boykott, Desinvestition und Sanktionen« (BDS) gegen Israel zu diskutieren.

Schuster kritisierte, bis heute sei es »in bestimmten Großstadtbezirken«, etwa mit »vielen radikalisierten jungen Muslimen« oder »mit einem hohen Anteil an Rechtsextremisten«, nicht ratsam, als Jude auf der Straße erkannt zu werden. Insgesamt könne man sich aber als Jude in Deutschland »frei bewegen, wenn auch nicht immer sorgenfrei«. Er selbst stehe als Präsident des Zentralrates permanent unter Polizeischutz; »unser Büro in Berlin erhält täglich Hass-Mails, Beschimpfungen, Drohungen«

1700 JAHRE JÜDISCHES LEBEN Große Hoffnungen verbindet der Präsident des Zentralrates in mit den derzeitigen Feierlichkeiten zu 1700 Jahren jüdischem Leben in Deutschland. Er hoffe, es gelinge, »in diesem Festjahr zu vermitteln, dass jüdisches Leben etwas Selbstverständliches auf deutschem Boden ist«.

»Die meisten Deutschen kennen persönlich gar keine Juden«, so Schuster – diese machten ja nur etwa 0,2 Prozent der Bevölkerung aus. Judentum werde im Unterricht oft nur in Verbindung mit den Jahren der nationalsozialistischen Verfolgung 1933 bis 1945 vermittelt. Aber: »Das Judentum hat so viel zu bieten«, so der Zentralratspräsident.

Daher sei es »wunderbar, einmal aufzuzeigen, dass es jüdisches Leben auf dem Gebiet Deutschlands schon weit vor der Schoa gab«. Es gelte, die positiven Dinge des Judentums – »jüdische Feiertage, jüdische Traditionen und Werte, jüdisches Leben« – viel mehr in den Mittelpunkt zu stellen. dpa/kna

Berlin

Ausstellung im Haus der Wannsee-Konferenz beschädigt

Kuratorin: «Auffällig, dass ausgerechnet Plakate zum israelbezogenen Antisemitismus beschädigt wurden«

 24.04.2024

Kommentar

AfD in Talkshows: So jedenfalls nicht!

Die jüngsten Auftritte von AfD-Spitzenpolitikern in bekannten Talk-Formaten zeigen: Deutsche Medien haben im Umgang mit der Rechtsaußen-Partei noch viel zu lernen. Tiefpunkt war das Interview mit Maximilian Krah bei »Jung & Naiv«

von Joshua Schultheis  24.04.2024

Umfrage

Studie: Für die meisten muslimischen Schüler ist der Koran wichtiger als deutsche Gesetze

Fast die Hälfte der Befragten will einen islamischen Gottesstaat

 22.04.2024

Vereinte Nationen

»Whitewash«: UNRWA-Prüfbericht vorgelegt

Eine Untersuchung sollte die schweren Vorwürfe gegen das UN-Hilfswerk aufklären - vorab sickerten erste Details durch

von Michael Thaidigsmann  22.04.2024

Berlin

Ausstellung will Leben in Geiselhaft simulieren

In der Fasanenstraße werden in einem Container die Bedingungen der Geiseln in Gaza simuliert

von Pascal Beck  22.04.2024

Rechtsextremismus

»Höckes Sprachgebrauch ist ein klarer Angriff - und erfolgreich«

Der Soziologe Andreas Kemper zu Strategien des AfD-Politikers

von Nils Sandrisser  22.04.2024

Frankreich

Französischer Bürgermeister zeigt Hitlergruß - Rücktrittsforderungen

Die Präfektur Val-de-Marne will die Justiz einschalten

 22.04.2024

Meinung

Der Fall Samir

Antisemitische Verschwörungen, Holocaust-Relativierung, Täter-Opfer-Umkehr: Der Schweizer Regisseur möchte öffentlich über seine wirren Thesen diskutieren. Doch bei Menschenhass hört der Dialog auf

von Philipp Peyman Engel  22.04.2024

Österreich

Vier Deutsche nach Gedenkbesuch bei Hitlers Geburtshaus angezeigt

Die Verdächtigen waren nach Braunau gefahren, um dort weiße Rosen niederzulegen

 22.04.2024