Meinung

Jerusalem: Botschaft aus Prag

Ein Diplomat hat mir einmal erzählt: »Immer heißt es, Staaten hätten keine Freunde, nur Interessen. Trotzdem sind Tschechien und Israel wirkliche Freunde, unabhängig von ihren Interessen.« Es dürfte typisch sein, dass ich mich nicht daran erinnere, ob es ein tschechischer oder ein israelischer Diplomat war. Dass beide Länder sehr gute Beziehungen pflegen, ist in Europa bekannt.

Aber große Dinge kann man ruhig größer machen, dachte sich Miloš Zeman, der mitunter recht oberflächliche Präsident Tschechiens, und die letzte Möglichkeit für ihn, sich in dieser Attitüde zu gefallen, war sein Besuch in Israel in der vergangenen Woche. Da hat er nette Ideen fabriziert, wie etwa die, dass die tschechische Botschaft doch von Tel Aviv nach Jerusalem umziehen oder dass Palästinenser aus den Flüchtlingslagern in Jordanien und anderen Staaten der Region nach Saudi-Arabien gebracht werden sollten.

offenheit Das erinnert eher an eine Außenpolitik à la Avigdor Lieberman, aber Zeman steht dennoch in einer langen Tradition. Das tschechische Trauma, an Großmächte ausgeliefert zu sein, trat zweimal in der Geschichte deutlich hervor: das Münchner Abkommen von 1938 mit dem folgenden Einmarsch der Deutschen 1939 und das Ende des Prager Frühlings 1968. In beiden Fällen haben wir bis heute das bittere Gefühl, von den westlichen Demokratien betrogen worden zu sein.

Da gilt das kleine Israel für viele Tschechen als eine Demokratie, die sich mutig gegen alle Widrigkeiten stellt, als ein Land, das ein bisschen unsere Träume erfüllt. Hier kommt Miloš Zeman ins Spiel. Er inszeniert sich gerne als jemand, der die beiden Traumata, 1938/39 und 1968, überwinden kann. Deshalb sagt er oft Dinge, die man sonst in der Diplomatie nicht sagt – etwa, dass Jassir Arafat ein Terrorist war. Doch diese Offenheit macht aus Zeman noch lange keinen seriösen Politiker. Er ist nur einer, der gerne übertreibt und provoziert.

Das ist das Problem an Zemans ja gar nicht unsympathischen Äußerungen. Die guten Dinge, die er ausspricht, fallen bei allem anderen, das von ihm kommt, kaum auf. Und falls doch, muss er zurückrudern. Seinen Vorschlag zum Umzug der Botschaft nach Jerusalem etwa musste er schnell korrigieren: Diese Frage stelle sich ja erst, wenn ein Friedensabkommen zwischen Israelis und Palästinensern in Kraft ist.

Der Autor ist Kommentator bei Radio Prag.

Nahost

Die Rede, die Annalena Baerbock halten sollte (aber leider nie halten wird)

Liebe Landsleute, liebe Freunde in Israel, ...

von Frank Schmiechen  07.10.2024

Meinung

Ein Raum für die Trauer

Der Vorschlag, den 7. Oktober in Deutschland zum Gedenktag zu erklären, wirft mehr Fragen auf, als er Antworten geben kann

von Mascha Malburg  06.10.2024

Analyse

Die neuen alten Grenzen der Solidarität

Erstaunt über den aktuellen Judenhass? Lesen Sie doch mal Jean Amérys sechzig Jahre alte Texte

von Leeor Engländer  06.10.2024

Solidarität

Gedenken in München

Auf dem Odeonsplatz findet eine Kundgebung in Solidarität zu Israel statt. Vor allem aber lautet die Forderung an die Hamas: Lasst die Geiseln endlich frei

von Barbara Just  07.10.2024 Aktualisiert

Rheinland-Pfalz

Polizei beendet rechtsextremes Treffen

Die »Kampfsportveranstaltung« soll von regionalem Ableger der als rechtsextremistisch eingestuften Kleinstpartei III. Weg organisiert worden sein

 06.10.2024

München

Großdemonstration für Freilassung der Geiseln am 6. Oktober

Zentralratspräsident Schuster und Ministerpräsident Söder (CSU) werden bei der Kundgebung erwartet

von Imanuel Marcus  06.10.2024 Aktualisiert

Olaf Scholz

Solidarität mit Jüdinnen und Juden

Der Bundeskanzler spricht in der aktuellen Folge über den 7. Oktober 2023

 06.10.2024

Gesellschaft

Felix Klein warnt: Judenhass zunehmend normalisiert

Antisemitische Gewalt im Nahen Osten habe auch massive Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Deutschland

 05.10.2024

Berlin

Kai Wegner: Beschämender Antisemitismus seit 7. Oktober 2023

Der Regierende Bürgermeister bekräftigt: »Das werden wir in dieser Stadt nicht dulden«

 05.10.2024