Antisemitismus

»In die Mitte der Gesellschaft«

EU-Beauftragte Katharina von Schnurbein beklagt wachsende Judenfeindlichkeit in Europa

 31.03.2017 09:57 Uhr

EU-Antisemitismusbeauftragte Katharina von Schnurbein Foto: imago

EU-Beauftragte Katharina von Schnurbein beklagt wachsende Judenfeindlichkeit in Europa

 31.03.2017 09:57 Uhr

In Europa nimmt Experten zufolge der Antisemitismus zu. Ein deutliches Anwachsen judenfeindlicher Vorfälle sei vor allem in Frankreich und Großbritannien zu beobachten, mit einer Steigerung von bis zu 36 Prozent im vergangenen Jahr.

Eine geringere Steigerung gebe es auch in Deutschland, sagte die Antisemitismusbeauftragte der EU-Kommission, Katharina von Schnurbein, am Rande eines Symposiums der »Initiative 27. Januar« am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin. Sowohl physische Attacken als auch die Zahl der Sachbeschädigungen nähmen zu.

Schnurbein ist seit Dezember 2015 Koordinatorin der Europäischen Kommission zur Bekämpfung von Antisemitismus. Zuvor gehörte sie zum Beratergremium des EU-Kommissionspräsidenten und war zuständig für den Dialog mit Kirchen und Religionsgemeinschaften.

muslime Antisemitische Vorfälle würden zunehmend von Rechtsextremen, aber auch von Linksextremen und radikalisierten Muslimen verursacht, sagte Schnurbein. »Dabei geht es nicht um Neuankömmlinge, sondern es sind eher radikalisierte Muslime, die hier schon länger leben«, erklärte die EU-Expertin. Grundsätzlich gebe es in allen Gruppen mehr antisemitische Attacken.

Auch in der Mitte der Gesellschaft gebe es einen neuen Antisemitismus: »Es ist nicht mehr nur ein Phänomen der Extremen«, betonte die Expertin. So berichteten etwa jüdische Organisationen, dass sie früher »nur anonyme Drohbriefe« erhalten hätten, inzwischen erreichten sie Drohungen und Beschimpfungen »mit dem vollen Namen und Adresse der Absender«.

Auch antisemitische Verschwörungstheorien – etwa dass Juden die Medien manipulierten und das Geld kontrollierten – hätten sich »sehr viel mehr in die Mitte der Gesellschaft gedrängt«, sagte Schnurbein. Bedenklich sei zudem die Diskussion unter anderem von AfD-Politikern darüber, ob man die Geschichte des Holocaust noch einmal anders betrachten müsse.

angst Schnurbein berichtete von einer zunehmenden Angst der jüdischen Bevölkerung in Europa. Viele Juden stellten sich persönlich die Frage, ob es für sie überhaupt eine Zukunft in Europa gebe. »Dass diese Frage – gut 70 Jahre nach der Schoa – überhaupt gestellt wird, ist ein großes Versagen«, sagte die EU-Antisemitismusbeauftragte.

Schnurbein sprach sich dafür aus, vor allem Hassreden im Internet zu bekämpfen. Zudem müsse im Bildungsbereich die Präventionsarbeit gestärkt werden: »Jeder Lehrer sollte in der Lage sein, wenn er einen antisemitischen Vorfall sieht, diesen zu erkennen und zu melden.« Zudem plädierte Schnurbein dafür, in der Öffentlichkeit stärker auch ein positives Bild des Judentums in Europa darzustellen. »Gezeigt werden sollte, wie reich jüdisches Leben heute aussieht. Deutschland ist dafür ein besonders gutes Beispiel«, sagte die EU-Antisemitismusbeauftragte. epd

Senat

Mehrere Berliner Abgeordnete verlassen Linkspartei

Wegen eines Antisemitismus-Streits kehren einige Politiker der Linkspartei den Rücken - auch der ehemalige Senator Klaus Lederer

 23.10.2024

Straßburg

Alle Klarheiten beseitigt

Der Streit über EU-Gelder für die Palästinenser und die UNRWA entzweit das Europäische Parlament

von Michael Thaidigsmann  23.10.2024

USA/Israel

FBI übernimmt Ermittlungen nach Geheimdienstleck

Dokumente über Israels Vorbereitungen für einen Angriff gegen den Iran gelangten an die Öffentlichkeit. Wer steckt dahinter?

 23.10.2024

Washington D.C.

Trump wollte »Militärs wie Hitlers Generäle«

Sein ehemaliger Stabschef John Kelly erinnert sich an höchst problematische Aussagen

 23.10.2024

Herta Müller

»Das Wort ›Märtyrer‹ verachtet das Leben schlechthin«

Die Literaturnobelpreisträgerin wurde mit dem Arik-Brauer-Publizistikpreis ausgezeichnet. Wir dokumentieren ihre Dankesrede

von Herta Müller  23.10.2024

Dokumentation

»Eine Welt ohne Herta Müllers kompromisslose Literatur ist unvorstellbar«

Herta Müller ist mit dem Arik-Brauer-Publizistikpreis ausgezeichnet worden. Lesen Sie hier die Laudatio von Josef Joffe

von Josef Joffe  23.10.2024

Antisemitismus

Auch in Halle Stolpersteine gestohlen

In Halle wurden ebenfalls Stolpersteine aus dem Boden gebrochen

 22.10.2024

USA

Israelfeindliche Gruppen an Unis werden immer radikaler

Auch an der Columbia University ist die Situation alarmierend

von Imanuel Marcus  22.10.2024

Umfrage

Grüne am ehesten für Waffenexporte nach Israel

Die Mehrheit der Deutschen lehnt Waffenlieferungen an den jüdischen Staat jedoch ab

 22.10.2024