Einspruch

Hoffnung habe ich immer noch

Leon Schwarzbaum Foto: Uwe Steinert

Einspruch

Hoffnung habe ich immer noch

Leon Schwarzbaum wünscht sich, dass die Erinnerung an Auschwitz wachgehalten wird

von Leon Schwarzbaum  23.01.2017 18:33 Uhr

Vor 72 Jahren, am 27. Januar 1945, wurde das Vernichtungslager Auschwitz befreit. Ich war in Auschwitz. 35 Mitglieder meiner Familie wurden dort ermordet. In diesen Tagen erinnern wir uns wieder an das Grauen der Schoa.

Dieser Tag ist für mich auch ein Tag der Hoffnung. Denn ich hoffe, dass die Menschen darüber nachdenken, was geschah. Ich selbst erinnere mich immer. Jeden Tag denke ich an die, die dort getötet wurden, an meine Eltern, meine Familie, meine Freunde. An das Leid, das sie erfahren mussten.

schulen Oft gehe ich in Schulen. Seit zehn Jahren mache ich das, und die jungen Leute sind ahnungslos, aber sie wollen etwas lernen. Sie wollen genau wissen, was damals geschehen ist. Im Unterricht erfahren sie von ihren Lehrern jedoch wenig. Bei Älteren habe ich oft das Gefühl, dass es ihnen nicht wichtig ist, was damals passiert ist. Daher ist es meine Pflicht, zu berichten, was wir erleiden mussten. Ich muss das für die Menschen tun, die nicht überlebt haben.

Derzeit dreht der Regisseur Hans-Erich Viet einen Film mit mir. Ich verbinde damit die Hoffnung, dass etwas bleibt. Wir erzählen bis in die Gegenwart – bis zum Prozess gegen den SS-Mann Reinhold Hanning im letzten Jahr, bei dem ich Zeuge und Nebenkläger war.

fragen Ich erlebe auch, dass junge Menschen kritische Fragen stellen. Ein Schüler erzählte mir, sein Großvater sei in der SS gewesen. Was hat er da gemacht, habe ich gefragt, und er sagte, er wisse es nicht, der alte Mann spreche nicht darüber. Ich sagte, dann musst du deine Großmutter fragen. Sie sagt auch nichts, hat er mir geantwortet.

Ich werde in vier Wochen 96 Jahre alt. Ehrlich gesagt, bin ich sehr skeptisch, ob die Welt besser geworden ist, ob sie besser wird. Im Lager haben wir oft gesprochen, wenn wir abends auf der Pritsche lagen. Wir alle hatten die Hoffnung, wenn nicht gar Gewissheit, dass die Welt besser wird, besser werden muss. Ich bin skeptisch, aber die Hoffnung habe ich immer noch.

Der Autor lebt in Berlin und überlebte das Vernichtungslager Auschwitz.

Erinnerung

Den alten und den neuen Nazis ein Schnippchen schlagen: Virtuelle Rundgänge durch Synagogen

Von den Nazis zerstörte Synagogen virtuell zum Leben erwecken, das ist ein Ziel von Marc Grellert. Eine Internetseite zeigt zum 9. November mehr als 40 zerstörte jüdische Gotteshäuser in alter Schönheit

von Christoph Arens  09.11.2025

9. November

Erinnerung ohne Empathie ist leer

Wenn Deutschland am Sonntag der Pogromnacht gedenkt, darf Erinnerung nicht nur rückwärtsgewandt sein. Sie muss auch die Angst der Juden von heute im Blick haben

von Tobias Kühn  09.11.2025

Deutschland

Auschwitz-Komitee: Demokratie vor Attacken schützen

Das Internationale Auschwitz Komitee sieht mit Sorge einen Rechtsruck. Zum Jahrestag der Reichspogromnacht fordert es Solidarität mit den Schoa-Überlebenden

 09.11.2025

Berlin

Israels Botschafter: Linker Antisemitismus am gefährlichsten

Ron Prosor, israelischer Botschafter in Deutschland, differenziert zwischen linkem, rechtem und islamistischem Antisemitismus. Und erläutert, welchen er für den gefährlichsten hält

 09.11.2025

Urteil

Betätigungsverbot für israelfeindlichen Aktivisten war rechtswidrig

Ghassan Abu-Sittah, der der israelischen Armee vorwirft, vorsätzlich Kinder zu töten, hätte auf dem »Palästina-Kongress« sprechen dürfen

 08.11.2025

Meinung

Wieder ein Milliarden-Blankoscheck für Palästina?

Europa will den Wiederaufbau Gazas mit 1,6 Milliarden Euro fördern. Glaubt man in Brüssel wirklich, durch Scheckbuchdiplomatie etwas zum Besseren verändern zu können?

von Jacques Abramowicz  08.11.2025

Jerusalem

Bischof Azar bedauert Irritation durch »Völkermord«-Äußerung

Weil er in einem Gottesdienst in Jerusalem von »Völkermord« an den Palästinensern sprach, hat der palästinensische Bischof Azar für Empörung gesorgt. Nun bedauert er, dass seine Worte Irritation ausgelöst haben

von Christine Süß-Demuth  07.11.2025

Berlin

Israelfeindliche Aktivisten besetzen ZDF-Hauptstadtstudio

Die Polizei musste die Besetzung beenden

 07.11.2025

Medienbericht

Katar soll mutmaßliches Missbrauchsopfer von Karim Khan ausspioniert haben

Das Emirat scheint sich in den Skandal um den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs eingemischt zu haben, wie Recherchen nun zeigen

 07.11.2025