20. Juli 1944

Historiker: Rechte haben »krude« Sicht auf Hitler-Attentat

Innenhof der Gedenkstätte Bendlerblock mit Statue am Erschießungsort der Widerstandskämpfer um Stauffenberg. Foto: imago/Ralph Peters

Vor dem 80. Jahrestag des Attentats auf Hitler am 20. Juli warnt der Historiker Jens-Christian Wagner vor einer Instrumentalisierung des Gedenktages durch Rechtsextreme. Die Szene habe überwiegend einen positiven Bezug zur Widerstandsgruppe um Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Und dies müsse man als »Instrumentalisierung und Geschichtsklitterung« bezeichnen, sagte der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt.

Am 20. Juli 1944 hatten Wehrmachtsoffiziere um Claus Schenk Graf von Stauffenberg vergeblich versucht, Adolf Hitler mit einer Bombe zu töten. Stauffenberg und drei Mitverschwörer wurden noch am Abend im Innenhof des Bendlerblocks in Berlin erschossen. In den folgenden Wochen und Monaten richteten die Nazis rund 90 weitere Beteiligte und Unterstützer hin. 

Laut Wagner kamen Familienmitglieder der Widerstandsgruppe in sogenannte Sippenhaft in das Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar. Zudem habe das gescheiterte Attentat zu einer neuen Verhaftungswelle geführt: Die sogenannte »Aktion Gewitter« habe vor allem ältere Politikerinnen und Politiker aus der Zeit der Weimarer Republik betroffen, von denen etliche ebenfalls nach Buchenwald verschleppt wurden.

Ideologische gefärbtes Erinnern

Wagner erläuterte, dass sich Rechtsextreme heute teils auf die Widerständler berufen und unterstellen, »man stehe wie Stauffenberg im Widerstand gegen das heutige «faschistische Regime», nämlich die «Ampel-Diktatur»«. »Das ist eine sehr krude, verschwurbelte Weltsicht«, sagte er. Der konservative und nationalistische Stauffenberg sei für diese Kreise besonders anschlussfähig.

Lesen Sie auch

Wagner sagte, der Widerstand gegen Hitler werde umgedeutet. Die Opposition gegen die heutige Regierung solle auf eine Ebene gestellt werden mit dem Widerstand auf Leben und Tod gegen den Nationalsozialismus. »Allein das ist ja schon eine Anmaßung«, betonte Wagner. Niemand müsse schließlich heute befürchten, zum Tode verurteilt zu werden.

Weiter sagte Wagner, das Erinnern an die Widerstandsgruppe um Stauffenberg sei schon in der Vergangenheit schwierig und in beiden deutschen Staaten ideologisch gefärbt gewesen. »Der Widerstand wurde schon immer zu aktuellen, politischen Zwecken missbraucht.«

Widerstand gegen NS-Regime die Ausnahme

In der DDR sei der kommunistische Widerstand in den Mittelpunkt gestellt worden. Dagegen habe der militärische Widerstand kaum eine Rolle in der Erinnerungskultur und Geschichtsforschung gespielt. In der BRD sei es in der öffentlichen Wahrnehmung umgekehrt gewesen. »Es wäre völlig falsch, den Blick auf den Widerstand auf den 20. Juli zu verengen.« 

Zugleich betonte Wagner, dass Widerstand gegen die Nationalsozialisten die Ausnahme gewesen sei. Die meisten Deutschen hätten dem Regime zugestimmt und auch mitgemacht.

Die Thüringer AfD, die vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird, startet am 20. Juli ihren offiziellen Wahlkampfauftakt. Ob AfD-Landesparteichef Björn Höcke auf den Gedenktag eingehen wird, war zunächst unklar.

Interview

»Die Genozid-Rhetorik hat eine unglaubliche Sprengkraft«

Der Terrorismusforscher Peter Neumann über die Bedrohungslage für Juden nach dem Massaker von Sydney und die potenziellen Auswirkungen extremer Israel-Kritik

von Michael Thaidigsmann  16.12.2025

Wirtschaft

Hightech-Land Israel: Reiche sieht Potenzial für Kooperation

Deutschland hat eine starke Industrie, Israel viele junge Start-ups. Wie lassen sich beide Seiten noch besser zusammenbringen? Darum geht es bei der Reise der Bundeswirtschaftsministerin

 16.12.2025

Meinung

Der Stolz der australischen Juden ist ungebrochen

Der Terroranschlag von Sydney hat die jüdische Gemeinschaft des Landes erschüttert, aber resigniert oder verbittert ist sie nicht. Es bleibt zu hoffen, dass die Regierung künftig mehr für ihren Schutz tut

von Daniel Botmann  16.12.2025

IS-Gruppen

Attentäter von Sydney sollen auf den Philippinen trainiert worden sein

Die Hintergründe

 16.12.2025

Hamburg

Mutmaßlicher Entführer: Mussten im Block-Hotel nichts zahlen

Der israelische Chef einer Sicherheitsfirma, der die Entführung der Block-Kinder organisiert haben soll, sagt im Gericht aus. Die Richterin will wissen: Wer zahlte für die Unterbringung im Luxushotel der Familie?

 16.12.2025

Interview

Holocaust-Überlebender Weintraub wird 100: »Ich habe etwas bewirkt«

Am 1. Januar wird Leon Weintraub 100 Jahre alt. Er ist einer der letzten Überlebenden des Holocaust. Nun warnt er vor Rechtsextremismus und der AfD sowie den Folgen KI-generierter Fotos aus Konzentrationslagern

von Norbert Demuth  16.12.2025

Magdeburg

Anschlag geplant? 21-Jähriger reiste legal ein

Mit einem Visum kam er nach Deutschland, dann informierte er sich über Waffen und glorifizierte Anschläge. Zu dem in Vorbereitungshaft genommenen Mann werden Details bekannt

 16.12.2025

Sydney

Jüdisches Ehepaar stirbt beim Versuch, einen der Angreifer zu stoppen

Boris und Sofia Gurman versuchten, das Massaker vom Bondi Beach zu verhindern, und bezahlten dafür mit ihrem Leben

 16.12.2025

Bundestag

Ramelow: Anschlag in Sydney war Mord »an uns allen«

Erstmals gab es in diesem Jahr eine Chanukka-Feier im Bundestag. Sie stand unter dem Eindruck des Anschlags auf eine Feier zum gleichen Anlass am Sonntag in Sydney

 16.12.2025