Auschwitz-Prozess

Historiker bezweifelt Aussage

Gutachter im Lüneburger Auschwitz-Prozess: der Historiker Stefan Hördler Foto: dpa

Im Lüneburger Auschwitz-Prozess gegen den früheren SS-Mann Oskar Gröning hat am Mittwoch erneut ein Gutachter Aussagen des Angeklagten infrage gestellt. Der Historiker Stefan Hördler geht davon aus, dass Gröning häufiger an der Bahnrampe in Auschwitz-Birkenau eingesetzt war, als dieser selbst zugibt.

Der 94-jährige Angeklagte hatte angegeben, dort nur dreimal vertretungsweise Dienst getan zu haben. Ähnliche Zahlen hätten auch Beschuldigte in früheren Auschwitz-Prozessen angeführt, sagte Hördler. »Das fällt schon auf, dass relativ identische Zahlenmuster genannt wurden.«

Gröning muss sich vor dem Landgericht Lüneburg wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 300.000 Fällen verantworten. Dem früheren »Buchhalter von Auschwitz« wird vorgeworfen, Spuren der Massentötung verwischt zu haben, indem er half, an der Bahnrampe in Auschwitz-Birkenau Gepäck wegzuschaffen.

Deportation Dabei geht es um die sogenannte Ungarn-Aktion, bei der zwischen dem 16. Mai und dem 11. Juli 1944 rund 425.000 jüdische Menschen aus Ungarn nach Auschwitz deportiert wurden. Mindestens 300.000 von ihnen wurden in den Gaskammern getötet.

Das Lager sei gezielt für diesen Massenmord neu organisiert worden, erläuterte Hördler. Der Leiter der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora sprach sogar von mindestens 320.000 Opfern. Diese Zahl ergebe sich aus Listen über die Deportationen.

An der Rampe seien auch SS-Leute aus Grönings Arbeitsbereich eingesetzt gewesen, sagte der Historiker. Er belegte dies mit Fotos unter anderem aus dem sogenannten Auschwitz-Album. Zu den Aufgaben dieser Aufseher habe es gehört, Häftlingskommandos zu überwachen, die das Gepäck der Verschleppten aus den Zügen räumten. Hördler regte an, eine der historischen Aufnahmen genauer untersuchen zu lassen. Ein Mann darauf habe eine Ähnlichkeit mit Gröning, »die überprüft werden sollte«.

Rampe Hördler sprach von einem Rotationsprinzip beim Dienst an der Rampe, der alle regelmäßig einbezogen habe. Dies habe den Korpsgeist und die Verschwiegenheit stärken sollen: »Alle sind beteiligt, keiner ist unschuldig.« Belege dafür, wie häufig Gröning dort war, habe er jedoch nicht.

Viele persönliche Akten des Angeklagten seien verloren gegangen. Deshalb schildere er das Umfeld. So zeigte der Historiker Verpflichtungserklärungen, die einige von Grönings Kameraden unterzeichnet hatten. »Ihnen war ganz klar, dass sie an einer Aktion mitwirkten, die auf die Ermordung ausgerichtet war«, sagte er.

Gröning hatte zum Auftakt des Prozesses am 21. April eine moralische Mitschuld bekannt, eine Beteiligung an den Taten aber abgestritten. Zu seiner angekündigten weiteren Aussage kam es am Mittwoch nicht mehr.

Wegen seines schlechten Gesundheitszustandes sind die Verhandlungen auf jeweils drei Stunden begrenzt. Zuletzt waren drei Prozesstage ausgefallen. Gröning wird sich voraussichtlich am 1. Juli erneut äußern. epd

Senat

Mehrere Berliner Abgeordnete verlassen Linkspartei

Wegen eines Antisemitismus-Streits kehren einige Politiker der Linkspartei den Rücken - auch der ehemalige Senator Klaus Lederer

 23.10.2024

Straßburg

Alle Klarheiten beseitigt

Der Streit über EU-Gelder für die Palästinenser und die UNRWA entzweit das Europäische Parlament

von Michael Thaidigsmann  23.10.2024

USA/Israel

FBI übernimmt Ermittlungen nach Geheimdienstleck

Dokumente über Israels Vorbereitungen für einen Angriff gegen den Iran gelangten an die Öffentlichkeit. Wer steckt dahinter?

 23.10.2024

Washington D.C.

Trump wollte »Militärs wie Hitlers Generäle«

Sein ehemaliger Stabschef John Kelly erinnert sich an höchst problematische Aussagen

 23.10.2024

Herta Müller

»Das Wort ›Märtyrer‹ verachtet das Leben schlechthin«

Die Literaturnobelpreisträgerin wurde mit dem Arik-Brauer-Publizistikpreis ausgezeichnet. Wir dokumentieren ihre Dankesrede

von Herta Müller  23.10.2024

Dokumentation

»Eine Welt ohne Herta Müllers kompromisslose Literatur ist unvorstellbar«

Herta Müller ist mit dem Arik-Brauer-Publizistikpreis ausgezeichnet worden. Lesen Sie hier die Laudatio von Josef Joffe

von Josef Joffe  23.10.2024

Antisemitismus

Auch in Halle Stolpersteine gestohlen

In Halle wurden ebenfalls Stolpersteine aus dem Boden gebrochen

 22.10.2024

USA

Israelfeindliche Gruppen an Unis werden immer radikaler

Auch an der Columbia University ist die Situation alarmierend

von Imanuel Marcus  22.10.2024

Umfrage

Grüne am ehesten für Waffenexporte nach Israel

Die Mehrheit der Deutschen lehnt Waffenlieferungen an den jüdischen Staat jedoch ab

 22.10.2024