Mit einer Gedenkstunde hat das Land Niedersachsen am Sonntag an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 76 Jahren erinnert. In der auf Youtube aus der niedersächsischen Landesvertretung in Berlin live übertragenen Veranstaltung spielte der Pianist Igor Levit von Überlebenden ausgewählte Musikstücke. Rund 600 Zuschauer verfolgten die Veranstaltung
BOTSCHAFT Der Vize-Präsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, sagte bei der Veranstaltung, 76 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz durch die Rote Armee seien Antisemitismus, Rechtsextremismus und Hass weiterhin nicht besiegt und erledigt. Den Auschwitz-Überlebenden sei deshalb die Botschaft an heutige und künftige Generationen wichtig: »Erinnert euch, hört zu!« Das deutsche Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau war am 27. Januar 1945 durch die Rote Armee befreit worden.
Mit einer Open-Air-Ausstellung in der Nähe des Berliner Holocaust-Mahnmals erinnert das Internationale Auschwitz Komitee seit Mittwoch an die Befreiung des Konzentrationslagers vor 76 Jahren. Die Ausstellung an der Landesvertretung von Niedersachsen steht unter der Überschrift «Was habe ich erreicht? - Überlebende von Auschwitz ziehen Bilanz». Sie ist bis zum 31. Januar zu sehen. Gezeigt werden knapp 20 Porträts von ehemaligen KZ-Häftlingen. Sie sind mit jeweils einem Zitat versehen.
HAMBURG Unterdessen hat die KZ-Überlebende Esther Bejarano (96), Vorsitzende des Auschwitz-Komitees in Hamburg, vor dem Holocaust-Gedenktag am 27. Januar an die Deutschen appelliert, sich stärker gegen Antisemitismus, Antiziganismus und Rassismus zu engagieren. Sie forderte, den 8. Mai als »Tag der Befreiung vom NS-Regime« zum gesetzlichen Feiertag zu erklären. Dieser Feiertag sollte den großen Hoffnungen der Menschen »Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und Schwesterlichkeit« gewidmet werden, sagte Bejarano während einer digitalen Gedenkveranstaltung des Auschwitz-Komitees zum Holocaust am Sonntag in Hamburg.
Ein Vergessen des Holocaust sei für Juden derzeit gar nicht möglich, sagte die Schweizer Regisseurin Eva Stocker, deren Film »Der Krieg gegen die Juden« im vergangenen Herbst in der Schweiz Premiere hatte. Jedes Hakenkreuz an einer Synagoge und jede Hassbotschaft von Rechtsextremen erinnere die Juden ihre Geschichte in der NS-Zeit. Stocker wuchs bei ungarischen Adoptiveltern auf. Per Zufall erfuhr sie erst Jahrzehnte später, dass sie als Säugling aus einem der Deportationszüge gereicht wurde, die nach Auschwitz fuhren. Ein Bahnbeamter nahm sie entgegen und rettete so ihr Leben.
CORONA-LEUGNER Bejarano kritisierte die Corona-Leugner. Das Tragen einer Maske werde von ihnen als »Freiheitsberaubung« abgelehnt. Bejarano: »Die wissen nicht, wovon sie sprechen.« Die Geschichte habe gezeigt, dass Verschwörungsideologien leicht in Vernichtungsideologien münden könnten.
Sie kritisierte zudem, dass Antifa-Gruppen immer häufiger drangsaliert würden und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) die Gemeinnützigkeit abgesprochen werde. Bejarano hatte im KZ Auschwitz-Birkenau im Mädchen-Orchester Akkordeon gespielt. Nach dem Krieg lebte sie in Israel und zog 1960 nach Hamburg. epd