Die gezielten verbalen Attacken der AfD auf seine Person haben den Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora in Thüringen, Jens-Christian Wagner, im Alltag vorsichtiger werden lassen. »Ich sitze abends nicht mehr am offenen Fenster am Schreibtisch, ich ziehe den Vorhang zu, damit man mich nicht sieht«, sagte Wagner der »Süddeutschen Zeitung«.
»Ich achte bei meinem Auto darauf, ob da etwas manipuliert worden ist, solche Dinge. Aber ich will mich in meinem Alltagsverhalten auch nicht einengen lassen.« Die Gedenkstätte stehe zudem in ständigem Kontakt mit der Polizei.
Bei den verbalen AfD-Angriffen gehe es um eine Feindbildmarkierung, sagte der Historiker: »Und das macht uns in den Gedenkstätten durchaus Sorgen.« Wenn etwa der Co-Chef der AfD Thüringen, Stefan Möller, sage, der Gedenkstättenleiter müsse weg, dann habe das eine Signalwirkung in das rechte Milieu hinein.
»Angst ist kein guter Ratgeber«
»Wir wissen, dass ein Teil der harten Neonazis gewaltbereit ist«, so Wagner. Es wäre aber falsch, sich davon einschüchtern zu lassen: »Natürlich muss man vorsichtig sein, aber Angst ist kein guter Ratgeber.«
Geschichtsrevisionismus gehöre definitiv zur DNA und zum ideologischen Kern der AfD, sagte Wagner weiter. Die Partei gehe aber nicht so weit wie die alten Neonazis, den Holocaust zu leugnen. Stattdessen werde versucht, die NS-Verbrechen zu verharmlosen: »Unsere Aufgabe als KZ-Gedenkstätten ist es dagegen, das Geschichtsbewusstsein und historische Urteilsvermögen zu stärken.«
»Behauptet und geglaubt«
In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung erwähnte Beispiele für »Täter-Opfer-Umkehrungen« der AfD: »Zur Relativierung der NS-Verbrechen gehört auch immer wieder die Vorstellung, die eigentlichen Opfer seien die Deutschen«, erklärte er.
Wagner nannte die Behauptung, die 10 000 Leichen von KZ-Häftlingen,
die die Briten im April 1945 im Konzentrationslager Bergen-Belsen vorgefunden hätten, seien in Wirklichkeit deutsche Soldaten
gewesen, die man in KZ-Kleidung gesteckt habe, um der SS dieses Verbrechen in die Schuhe zu schieben. »So etwas wird behauptet und auch geglaubt.«
Sorge vor Mittelkürzung durch AfD-Regierung
Der Gedenkstätten-Direktor äußerte in dem SZ-Interview auch die Sorge, die AfD könnte etwa in den Landkreisen die Finanzierung für Gedenkeinrichtungen senken oder gar streichen – in Kooperation mit CDU-Politikern.
»In der zweiten und dritten Reihe der CDU in Thüringen durchaus Politiker, die mit einer Kooperation mit der AfD liebäugeln«, sagte Wagner. »Ich mache mir Sorgen, dass es zu Absprachen oder sogar
zu einer formellen Zusammenarbeit kommen könnte – auch mit Folgen für die Arbeit der Gedenkstätten, die an die Verbrechen des Nationalsozialismus und die in den Konzentrationslagern ermordeten
Menschen erinnern.«
In Thüringen wird am 1. September ein neuer Landtag gewählt.
Umfragen sehen die AfD mit rund 30 Prozent auf Platz eins. epd/ja