Wirtschaft

Gas aus Israel auch für Europa?

Wirtschaftsminister Habeck hat die Alarmstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Israel könnte künftig zehn Prozent des russischen Gases ersetzen. Foto: picture alliance/dpa

Es ist ein historisches Abkommen, das auch den Gaskunden in Europa zugutekommen könnte: Israels Regierung hat am Mittwoch nach jahrelangem Ringen einer Vereinbarung über die gemeinsame Seegrenze mit dem verfeindeten Libanon zugestimmt. Das Land will in dem umstrittenen Gebiet im Mittelmeer so bald wie möglich mit der Gasförderung beginnen.

Mit der Einigung geht ein jahrzehntelanger Streit über eine Meeresfläche vor der Küste zu Ende. Eine offizielle Bestätigung aus Beirut stand noch aus, das Büro von Präsident Michael Aoun teilte jedoch mit, dass die endgültige Fassung des Abkommens den Libanon zufrieden stelle. Die Verhandlungen liefen unter Vermittlung der USA.

Der Konflikt um den Grenzverlauf hatte sich nach der Entdeckung von großen Mengen Erdgas-Ressourcen verschärft. Dem wirtschaftlich angeschlagenen Libanon wird Medienberichten zufolge die Erschließung des Offshore-Gasfeldes Kana ermöglicht. Das Gebiet rund um die Karisch-Gasplattform, nordöstlich der israelischen Hafenstadt Haifa, bleibt im israelischen Hoheitsgebiet. »Dieser Deal sichert die Energiesicherheit des Staates Israel und wird Milliardeneinnahmen bringen« sagte Israels Regierungschef Jair Lapid.

Mehr Gas für Europa?

Das Abkommen werde Ländern auf der ganzen Welt saubere und erschwingliche Energie liefern, schrieb Israels Regierungschef auf Twitter. Kürzlich kündigte er bereits an, Gasexporte nach Europa erhöhen zu wollen. »Hoffentlich wird das nächstes Jahr möglich sein«, sagte Lapid nach Gesprächen mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin. Israel könne etwa zehn Prozent des russischen Gases ersetzen. Das Land hat durch die Gasfelder Leviathan und Tamar vor der Küste seinen Energiebedarf bereits gesichert. Größtes Problem ist der Transport des Gases nach Europa.

Für Ägypten wie auch für Nachbar Jordanien ist Israel schon einer der wichtigsten Gaslieferanten. Mit einer neuen Vereinbarung soll nun über Ägypten verflüssigtes Gas nach Europa kommen. Dazu unterzeichneten beide Länder im Beisein von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Juni eine Absichtserklärung.

Erdgas als Chance für ein angeschlagenes Land

Auch der Libanon schöpft aus dem Abkommen Hoffnung. Das kleine Land am Mittelmeer leidet seit drei Jahren unter der schwersten Wirtschaftskrise seiner Geschichte und könnte einen Geldsegen gut gebrauchen. Die Förderung von Öl und Gas werde das Land aus dem »Abgrund« ziehen, sagte Präsident Aoun am Mittwoch. Der Staat ist praktisch pleite. Die libanesische Lira hat mehr als 90 Prozent ihres Wertes verloren und sinkt weiter. Drei Viertel der Bevölkerung lebt mittlerweile unter der Armutsgrenze.

Experten zeigen sich jedoch zurückhaltend. Bislang ist nicht einmal klar, ob die libanesischen Vorräte im Mittelmeer so groß sind, dass sich eine kommerzielle Förderung lohnt. Es gibt auch keine Infrastruktur, um Gas zu exportieren, weder Pipelines noch Flüssiggasterminals. »All das existiert nicht«, sagt die libanesischen Energieexpertin Laury Haytayan. Für eine Nutzung im Inland müsste die Regierung erst in Gaskraftwerke investieren. Es dürfte Jahre dauern, bis das Land von den Bodenschätzen profitiert.

Mehr Stabilität in der Region

Die Bedeutung des Abkommens geht jedoch über den wirtschaftlichen Aspekt hinaus: Die verfeindeten Staaten Libanon und Israel haben sich erstmals auf eine Seegrenze geeinigt. Wären die Verhandlungen gescheitert, hätte im schlimmsten Fall mit einem neuen Krieg gerechnet werden müssen. Offiziell befinden sich die beiden Länder seit Jahrzehnten im Kriegszustand. Zwischen der im Libanon mächtigen Terrororganisation Hisbollah, einem engen Verbündeten des israelischen Erzfeindes Iran, und Israel kommt es an der Grenze zwischen beiden Ländern immer wieder zu Spannungen.

Aber alles spricht dafür, dass sich auch die Hisbollah dem Gasabkommen nicht in den Weg stellen wird, weil sie ebenfalls auf hohe Einnahmen hofft. In einer mehr als einstündigen Fernsehansprache am Dienstagabend machte Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah zumindest keine Einwände geltend, sondern deutete seine Zustimmung an: »Ich habe immer gesagt: Wir wollen von den Trauben essen.« Israels Regierungschef Lapid betonte, das Abkommen habe die Möglichkeit eines militärischen Zusammenstoßes mit der Hisbollah abgewendet.

Und doch will der Libanon jeglichen Anschein vermeiden, dass dem Abkommen mit Israel auch eine politische Annäherung folgen könnte. Unterzeichnet werden soll das Abkommen im UN-Hauptquartier Nakura im Süden des Libanon - allerdings in getrennten Räumen. dpa

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