Meinung

Fragen an Joachim Gauck

Alexander Hasgall ist Historiker, Publizist und Mitglied des Arbeitskreises jüdischer Sozialdemokraten. Foto: studio-Neukoelln

Meinung

Fragen an Joachim Gauck

Der künftige Präsident muss in seinen Reden weniger missverständlich werden

von Alexander Hasgall  21.02.2012 09:39 Uhr

Joachim Gauck will »links, liberal und konservativ« zugleich sein. So etwas nennt man im Allgemeinen Beliebigkeit. Doch der 72-Jährige, der am 18. März zum Präsidenten gewählt wird, versteht sich selbst ja als »Bürger, der mitredet«. Und beim Mitreden dient ein breites Repertoire verschiedener Einstellungen der Anpassungsfähigkeit und ist durchaus hilfreich.

Zum Beispiel hatte er vor Stadtvierteln mit zu vielen Zugewanderten und zu wenigen »Altdeutschen« gewarnt und Thilo Sarrazin als »mutig« gelobt. Erinnert sei auch an die unpassende Gleichsetzung von NS- und DDR-Diktatur. Gauck gehört zu den Mitautoren des Schwarzbuchs des Kommunismus, das eher eine Propagandaschrift denn ein seriöses historiografisches Werk ist. Des Weiteren hat er das umstrittene Zentrum gegen Vertreibung in Berlin begrüßt und hält deutsche Opfer für ein »lange vernachlässigtes Erinnerungsgut«.

Rhetoriker Vieles davon steht in einem relativierenden Kontext, und man muss vermuten, dass ein begabter Rhetoriker wie Gauck solche Aussagen bewusst platziert hat. Wäre es anders, er wäre als Bundespräsident ungeeignet. Schließlich ist der oberste Repräsentant des Staates kein Praktikant, den man mal gewähren lässt.

Ihm, wie es derzeit als Entgegnung auf Kritik heißt, erst einmal eine Chance zu geben, wäre leichter, wenn sich das künftige Staatsoberhaupt in seinen Reden klarer, eindeutiger und weniger missverständlich und interpretationsbedürftig geäußert hätte. Vor allem müsste Gauck wohl auf die Pose des »Mahners« verzichten, die er so gerne einnimmt. Und dabei letztlich doch gerne dem Stammtisch das Wort redet.

Dann besteht doch die Chance, dass wir es mit einem großen Präsidenten zu tun bekommen. Christian Wulffs Feststellung, dass der Islam auch zu Deutschland gehört, mag banal gewesen sein, sie war aber wichtig. Es bleibt zu wünschen, dass Gauck bald auch die richtigen Worte findet. Gegenüber Migranten, gegenüber Juden und anderen Minderheiten in der Bundesrepublik, gegenüber der Geschichte.

Deutschland braucht keine konservative Autoritätsfigur und keinen Totalitarismustheoretiker. Es braucht Persönlichkeiten, die für eine Kultur der Solidarität und des Miteinanders werben. Ob Gauck sich selbst so wandeln kann, dass er den Ansprüchen an das Amt genügt, ist unsicher. Es ist ihm und einem modernen, zukunftsoffenen Deutschland zu wünschen.

Parteien

Justiz prüft Äußerungen nach Neugründung von AfD-Jugend 

Nach einer Rede beim AfD-Jugendtreffen prüft die Staatsanwaltschaft Gießen mögliche Straftatbestände

von 
janet Ben Hassin  10.12.2025

Debatte

Merz, Trump und die Kritik an der Migration

Deutschlands Bundeskanzler reagiert auf die Vorwürfe des US-Präsidenten

von Jörg Blank  10.12.2025

Debatte

Wie umgehen mit Xavier Naidoo?

Der Sänger kehrt auf die großen Bühnen zurück. Ausverkaufte Hallen treffen auf Antisemitismus-Vorfälle, anhängige Verfahren und eine umstrittene Entschuldigung - und auf die Frage, wie man heute dazu steht

von Stefanie Järkel, Jonas-Erik Schmidt  10.12.2025

Initiative

Bayerns Landtag will Yad-Vashem-Bildungszentrum in Freistaat holen

Die Idee hatte die Ampel-Koalition von Olaf Scholz: Eine Außenstelle der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Deutschland. Der Bayerische Landtag hat sich nun für einen Standort im Freistaat ausgesprochen

von Barbara Just  10.12.2025

Paris/Brüssel

EU-Gaza-Hilfe: Französischer Politiker hat »große Bedenken«

Benjamin Haddad, Frankreichs Staatssekretär für Europafragen, hat die Europäische Kommission aufgefordert, ihre Zahlungen an NGOs, die im Gazastreifen operieren, besser zu überwachen

 10.12.2025

Aufarbeitung

Französische Entnazifizierungs-Dokumente erstmals online abrufbar

Neue Hinweise zu Leni Riefenstahl und Martin Heidegger in der NS-Zeit: Künftig können Forscher online auf französische Akten zugreifen. Experten erwarten neue Erkenntnisse

von Volker Hasenauer  10.12.2025

Deutschland

Wegen Antisemitismus und AfD: Schauspiellegende Armin Mueller-Stahl (95) denkt ans auswandern

Armin Mueller-Stahl spricht offen über seine Gelassenheit gegenüber dem Tod – und warum aktuelle Entwicklungen ihn dazu bringen, übers Auswandern nachzudenken

 10.12.2025

Justiz

Mutmaßlicher Entführer: Chef eines israelischen Sicherheitsunternehmens packt aus

Die Hintergründe

 10.12.2025

Fußball

Sorge vor Maccabi-Spiel in Stuttgart

Tausende Polizisten, Metalldetektoren beim Einlass, Sorge vor Gewalt: Warum der Besuch von Maccabi Tel Aviv in der Europa League beim VfB aufgrund der politischen Lage kein sportlicher Alltag ist.

 10.12.2025