Nach dem gescheiterten Fluchtversuch des Halle-Attentäters Stephan B. muss sich die Leitung des Gefängnisses Roter Ochse in Halle am Donnerstag im Magdeburger Justizministerium erklären. Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU) hatte die Gefängnisleitung am Mittwoch nach Bekanntwerden des Vorfalls am vergangenen Samstag in die Landeshauptstadt zitiert. Die Ministerin will von den Verantwortlichen hören, wie es zu dem Fluchtversuch in der Anstalt in Halle kommen konnte und warum sie erst am Dienstag davon erfuhr.
Das Gefängnispersonal habe ganz offensichtlich Vorschriften verletzt, sagte die CDU-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur. »Das muss Folgen haben«. Neben einer detaillierten schriftlichen Aufarbeitung wolle sie sich den Zwischenfall zunächst persönlich erklären lassen. Den Vorfall bezeichnete die Ministerin als »furchtbar«.
Auch an Keding hatte es am Mittwoch Kritik gegeben. Politiker von SPD, Grünen und Linken forderten die Ministerin auf, den Vorgang aufzuklären. Der Grünen-Landeschef und rechtspolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, Sebastian Striegel, kündigte an, das Thema im Landtag besprechen zu wollen. »Der Rechtsausschuss im Landtag Sachsen-Anhalt wird in der kommenden Woche in einer Sondersitzung den Bericht der zuständigen Ministerin dazu hören«, twitterte Striegel.
Zuvor war bekannt geworden, dass Stephan B. am Samstag während eines Hofgangs über einen Zaun geklettert war und sich für rund fünf Minuten unbeobachtet im Gefängnis bewegt hatte. Nach Angaben eines Ministeriumssprechers war eine Fluchtabsicht erkennbar.
Der Mann hatte am 9. Oktober 2019 - am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur - schwer bewaffnet versucht, in die Synagoge in Halle einzudringen. Er schoss auf eine Holztür und warf Sprengsätze.
Als er es nicht schaffte, in die Synagoge zu gelangen, erschoss er auf der Straße eine 40 Jahre alte Frau und in einem nahen Döner-Imbiss einen 20 Jahre alten Mann. (dpa)